Sunday, November 20, 2005, 23:10
„Alle Dinge der Ewigkeit haben die gleiche Form“, sagte schon Marc Aurel, und das gilt auch für die Krawatte: Sie sehen alle gleich aus, jedenfalls dem Umriß nach. Und ist die Form festgelegt, ist der Inhalt um so entscheidender. Der Inhalt einer Krawatte ist ihr Muster. „Oh du gefährlich Muster“, sagt Othello, zweite Szene, fünfter Akt. Und recht hat er. Nicht selten ist das Muster der Wahl ähnlich unaufdringlich wie eine Baßtuba im Forellenquintett. Vor allem, wenn zum gestreiften Hemd gestreifte Krawatten in einer Komplementärfarbe kombiniert werden.
Glaubt man medizinischen Lehrbüchern, liegt der Anteil der Farbenblinden in der Bevölkerung bei fünf Prozent. Millionen Männerhälse sprechen aber eine andere Sprache. „Ich habe manchmal das Recht auf Blindheit!“ beanspruchte Admiral Nelson in der Seeschlacht von Kopenhagen für sich. Da war er noch kein Held, schon auf einem Auge blind und trotzdem trug er eine weiße Binde um den Hals gewickelt: Schließlich hatte man einen Ruf zu verlieren als Lord of the Seas. Das gilt genauso heute und besonders für das mittlere Management. Auf Krawatten gedruckte Comic-Figuren vermitteln schon mal den Eindruck, man säße Mickeymaus gegenüber und nicht dem Sachgebietsleiter eines großen Unternehmens, und wer Paisleymuster zum karierten Holzfällerflanell kombiniert, ist entweder Kanadier oder sollte es werden.
Wie in allen Dingen ist bei der Krawattenwahl jedes Extrem zu meiden und vornehmste Zurückhaltung das erste Gebot.
fast perfekt immer perfekt
Das Material hat immer Seide zu sein. Krawatten, die nicht aus Seide sind, sind keine. Leder taugt allenfalls bei Selbstmordgefährdeten, Polyester gehört in den Chemieunterricht und Wollstrick in die Pullover. Der ein oder andere Cambridgeprofessor, der im College mit Wollschlips und im Tweedsakko Vorlesungen hält, hält außerdem mindestens einen Nobelpreis und ist deswegen (und nur deswegen) von Stilfragen befreit.
Zur Farbe: Weniger ist mehr. Die Krawatte sollte nur eine haben, allenfalls zwei, allerhöchstens aber drei. Niemals mehr! Jede weitere Farbe erhöht das Risiko eines geschmacklichen Fehlgriffs! Wer jetzt argumentiert, daß selbst bei Hermès Elefanten, Schiffe und Teepflücker den Binder vielfarbig zieren, soll in die nächste Filiale gehen und sich eine Lupe geben lassen. Er wird sofort einsehen, daß man sein Handwerk dort versteht und die Farben so aufeinander abgestimmt sind, daß sie bei genauem Hinschauen zu nur drei Grundfarben verschmelzen. Wenn einem beim diskreten Blick aufs Preisschildchen nicht schon ein wenig schwarz vor Augen wurde.