Tod und Trauer im Königreich

Als Charles I. dem Schafott entgegenschritt, hatte er noch nach einem wollenen Hemd schicken lassen. Auf daß das Volk an jenem kalten Themse-Morgen des Jahres 1649 nicht glaube, er zittere aus Angst.Das nennt man Haltung im Angesicht des Todes, und auch der Mann, der vielleicht mal Charles III. sein wird, ist darin beispiellos. Als er den Leichnam der jungen Frau heimholte, die auf dem Schafott der Öffentlichkeit unschuldig geopfert wurde, trug er tiefschwarz, zweireihig, mit schwarzer Krawatte. Ganz König, zum ersten Mal: Auf daß das Volk nicht glaube, er trauere nicht.

„Niemand weiß angemessener zu trauern als Großbritannien“, sagte der Zeremonien-Meister ihrer Majestät der BBC. Da trug er ein schwarz-weiß-gestreiftes Hemd zur schwarzen Krawatte und einen schwarzen Anzug, durchzogen mit feinen Silberstreifen. Ein Zeichen dafür, daß er kein direkter Angehöriger der Verstorbenen ist, eine feine Nuance des guten Tons. In dunklen Tönen auch die Nachrichtensprecher und überhaupt jede Person, die sich zur Zeit im britischen Fernsehen zeigt. Und selbst die Zeitungsverkäufer tragen dunkle Krawatten.

Eine Schwester der Verstorbenen, Lady Jane Fellowes, bei der Überführung in Begleitung des Thronfolgers, war im braunen Jackett zum viel zu kurzen schwarzen Rock. Sie wurde von der Nachricht überrascht und hatte an, was man als nichtsahnende Lady Jane Fellowes eben anhat an einem ruhigen Sonntag. Hingegen rang Tony Blair, der Premier, an diesem Tag schon in schwarz mit den Tränen.

Nur der vor Haß und Erschütterung bebende liebende Bruder Dianas, The Earl of Spencer, schlug dem britischen Establishment ins Gesicht, indem er im offenen Hemd vor die verachtete Presse trat ­ er muß seine Trauer auch niemandem unter Beweis stellen, am wenigsten der seiner Ansicht nach mitschuldigen Upper Class. Der Krawattenverzicht als ein wohlgewähltes, unerhörtes Statement.

Wer immer aber sich gerade auf britischem Boden befindet und nicht Untertan ihrer Majestät ist, gebe sich englisch: Dunkel, gedeckt sei die Kleidung, bis zum Knöchel reiche der Rock, man verzichte auf Schmuck und blitzende Knöpfe, jeglichen Tand und auch auf lautes Lachen, bis der Leichnam am Samstag endlich, endlich ruhen darf. Auf daß das britische Volk an diesem tristen Themse-Morgen nicht glaube, wir trauerten nicht.