Weiss und Heiss – Perlen

Reicher Perlenschmuck – welche Frau kann da schon wiederstehen? „Wer Perlen will, der muss ins Meer sich stürzen“ sagte schon Johann Wolfgang von Goethe – aber zum Glück kann man sie heute auch trockenen Fusses erringen. Die Weltliteratur hat Perlen schon früh zum tragenden Thema erkoren. Thomas Mann schreibt in einer Schlüsselszene seiner Erzählung „Tod in Venedig“, wie der Schriftsteller Gustav von Aschenbach auf den Beginn des Diners im luxuriösen „Hotel des Bains“ wartet. Eine grau-weiss gekleidete Dame betritt die Halle – es ist die Mutter seines jungen Idols Tadzio. „Die Haltung dieser Frau war kühl und gemessen, die Anordnung ihres leicht gepuderten Haares sowohl wie die Machart ihres Kleides von jener Einfachheit, die überall da den Geschmack bestimmt, wo Frömmigkeit als Bestandteil der Vornehmheit gilt. Sie hätte die Frau eines hohen deutschen Beamten sein können. Etwas von phantastischem Aufwand kam in ihre Erscheinung einzig durch ihren Schmuck, der in der Tat kaum schätzbar war und aus Ohrgehängen, sowie einer dreifachen, sehr langen Kette kirschengroßer, mild schimmernder Perlen bestand…“

perlen

Es ist dies die wahrscheinlich berühmteste Perlenkette der Literatur, die in einfachen Worten die drei Haupteigenschaften der „Tränen der Meere“ auf sich vereinigt. Zum ersten: Es gibt kaum einen eleganteren Schmuck in der Garderobe einer Frau, als das vorzugsweise im Kerzenschein getragene leichte Schimmern in schmelzigem Weiss. Zum zweiten: Der diskrete Luxus, den die Perlen der Trägerin verleihen. Perlen waren und sind der unauffälligste Schmuck, der sich denken lässt. Drittens: Ihr purer Wert. Man kann für Perlen phantastische Summen ausgeben, sie werden seit Generationen als Wertanlage geschätzt und finden sich im Besitz zahlreicher Königshäuser. Eine besonders schöne Tiara wohl russischen Ursprungs gehört zu den Kronjuwelen des Hauses Windsor: Sie ist im wesentlichen ein Gehänge mit sehr grossen, sehr seltenen tropfenförmigen Perlen und kann mit einer weiteren Reihe hochstehender Perlentropfen montiert werden: So wurde sie von Queen Mary gertragen, in schlichterer Form schmückt sie die Queen zu öffentlichen Anlässen. Eine „Schwester“ zu diesem Diadem befand sich im Besitz einer Familie des russischen Hochadels, der Youssoupovs (der letzte Prinz Youssoupov war einer der Mörder Rasputins) – sie wurde 1925 von den Bolschewiken in einer geheimen Schatzkammer gefunden und zu einem überirdischen Preis in westliche Devisen verwandelt. Es gilt seitdem als verschollen, dürfte sich aber im Safe einer amerikanischen Millionenerbin befinden. Der phantastische Wert solcher Schätze liegt in der Tatsache begründet, dass sie vor der Verbreitung von Zuchtperlen in den 20er und 30er Jahren entstanden: Vorher erzielten auch einzelne Stücke legendäre Preise, wie sie sich etwa in den „Kronenperlen“ befinden, die die junge Prinzessin Elisabeth anlässlich ihrer Hochzeit mit Prinz Philip Mountbatten geschenkt bekam: Es handelt sich dabei um eine Kette von 46 Perlen aus dem Nachlass Königin Annes sowie eine weitere Schnur aus 50 Perlen, die Königin Caroline, der Gattin Georgs II. gehörten. Ihr Wert lässt sich aus der Tatsache ersehen, dass sie von der Familie Hanover zurückverlangt wurden, ein Anspruch, den Königin Victoria schlicht zurückwies.

Um 1890 kam die Mode mehrerer, eng um den Hals geschnürter sogenannter „Choker“ auf, zu denen zusätzlich bis weit über die dekolletierten Büsten reichende Perlenschnüre angelegt wurden. Königin Alexandra konnte so eine Narbe an ihrem Hals diskret cachieren, und das reiche Bürgertum kopierte diesen Stil dankbar.

Perlen sind seit Urzeiten eine ernstzunehmende Wertanlage, und die Memoiren der ungarischen Gräfin Karolyi „Aufbruch und Wiederkehr“ belegen dies eindrucksvoll. Bei ihrer Flucht vor den Kommunisten 1919 entkam sie nur knapp über die Grenze zur Tschechoslowakei und rettete ein Halsband von 370 Perlen, das ihrer Familie im Exil zu einem Neuanfang verhalf. Sie trug es zuletzt als Modistin eines Pariser Couturiers, als ihre Arbeitgeberin sie auf das Kollier ansprach: „Kurz darauf bewunderte sie meine Perlen, und um sie irrezuführen sagte ich: ´Sie sind schöner als echte: Sie haben schon viele getäuscht.` Sie aber liess sich nicht hinters Licht führen. Scharf sah sie mich an: ´Ich weiss, wie echte Perlen aussehen. Mich können Sie nicht beschwindeln.` Die Gräfin verkaufte sie schliesslich an einen Berliner Händler: „Er reichte mir einen Zettel, auf dem sein Juwelier den Schätzwert notiert hatte. Es war der Höchstpreis – genau die Summe, die mir ein Juwelier in der Londoner City genannt hatte, die aber, wie er hinzugesetzt hatte, nur schwer zu erzielen sei…“

Heutzutage sind schöne Halsketten deutlich erschwinglicher geworden. Das Zürcher Auktionshaus Ineichen etwa ruft am 16. November 2007 unter Lot. 515 ein sehr schönes Exemplar „weisser Südsee-Zuchtperlen 15,30-12 mm im Verlauf“ zu 5900 – 9000 Schweizer Franken auf. Ein weiteres Angebot dunklerer Tahiti Zuchtperlen unter Lot. 518 „silberfarben bis petrolfarben schimmernd“ wird schätzungsweise 1900 – 2900 Franken erzielen.

Die Entwicklung einer Perle beginnt im sogenannten Austernsack, meist durch eine Irritation wie etwa einen schalentragenden Parasiten. Die Auster beginnt dann mit der sukkzessiven Ablagerung des Kristalls Aragonit (Calzium-Carbonat) mittels des organischen Materials Conchiolin. Die Kristalle werden einem Schindeldach vergleichbar aufgeschichtet, was den einzigartigen Lüster einer Perle erklärt. Bei Zuchtperlen wird meist ein winziger Perlmuttkern künstlich in die Auster gesetzt, der unter Röntgenbestrahlung deutlich sichtbar ist – die sicherste Art, sie zu erkennen. Künstliche Perlen verraten sich noch leichter, durch eine sehr viel ältere und traditionellerer Prüfung: Wenn man die echte Perle oder auch Zuchtperlen an den Vorderzähnen reibt, fühlen sie sich rau an – Perlenimitationen sind völlig glatt. Echte Perlen sollten eine gute Farbe und einen schönen Lüster haben – die besten schimmern in rosiger Blüte – und die Oberfläche, auch Haut genannt, sollte perfekt und völlig ohne Tadel sein. Je schöner Farbe und Lüster sind, desto höher ist ihr Wert. Grosse natürliche Perlen dieser Art sind immernoch extrem wertvoll – aber auch „cultured pearls“, also Zuchtperlen von einem Durchmesser über 10 mm erzielen Höchstpreise. Halsketten exorbitanter Qualität haben auf Auktionen schon über 1 Million Dollar gebracht.

Die Perlen aus dem „Tod in Venedig“ könnten übrigens jetzt schon um ihre Berühmtheit fürchten: Den Superlativ der Superlative dürfte zur Zeit das Perlenkollier „Number One“ aus der Kollektion „One of a Kind“ des Familienunternehmens Gellner sein. Es besteht aus 29 weissen Südsee-Zuchtperlen von sensationellen 17-21 Millimetern Durchmesser. Diese Masze stellen einen Höhepunkt der Perlenzucht dar. Bislang wurden „nur“ bis zu 16 Millimeter erreicht. Das Kleinod stammt aus einer der bekanntesten Farmen Australiens, „Cygnet Bay Pearls“, und der Züchter hat für diesen wahren Schatz sieben Jahre lang die grössten und schönsten Perlen gesammelt. Durchaus Grund für einigen Stolz bei Gellner: „Ein so individuelles Perlenschmuckstück gibt es zur Zeit kaum auf der Welt.“ Und so nimmt es nicht Wunder, dass das Kollier noch auf einen Käufer wartet – zum sagenhaften Preis von 1,3 Millionen Euro. Und bei Gellner sammelt man bereits an einer „Number Two“. Man darf also weiter gespannt sein, auf den nächsten Traum aus der Südsee…

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