China Club in Berlin

Wenn man den 38jährigen Generaldirektor einer amerikanischen Elektronikfirma in bester Laune antreffen will, und gleich daneben einer der bedeutendsten Privatbankiers des Landes, schlemmend, ganz privat, ganz entspannt, dann ist man im China Club Berlin: Eine der neuerdings besten, exclusivsten und — man muss es sagen — schönsten Adressen der Hauptstadt. Es mag daran liegen, dass in der holzgetäfelten Bibliothek Dantes Göttliche Komödie gleich zweimal zum Präsenzbestand gehört, oder daran, dass der Kanzler selbst beim Besuch sofort ausrief, „Ich will kein Mitglied werden” — wobei er natürlich wollte, aber die 10000 Euro Aufnahmegebühr beim Wähler wohl nicht so gut ankämen. Dabei eignen sich die Separées Concubine I und II, ganz in Seide, ganz diskret, ganz hervorragend für Koalitionsverhandlungen und Rücktrittsdrohungen, während man die aussergewöhnlichen Creationen von Chef Tam genießt, dem in Gourmetkreisen zu Recht angebeten chinesischen Mâitre de Cuisine. Der hat erstmal Salzwassertanks angeschafft, um den Fisch auch wirklich frisch zu servieren, ganz geschockt war er vom deutschen Lebensmittelgesetz, als er im Großmarkt einkaufen wollte und ihm der Fisch vor der Nase geschlachtet wurde. Die Peking Ente läßt er aus London liefern, „wegen der Qualität”, und die kalte Mango-Suppe zum Dessert läßt schon mal den Wunsch wachwerden, auch zu den gesellschaftlichen High Rollern zu gehören, die sich hier zum Mitgliedsstamm zählen dürfen. Natürlich werden auch Gäste der Members bewirtet, beköstigt, „wined and dined” — ganz zu schweigen vom Kunstgenuß, der dann den wenigen Auserwählten noch ganz nebenbei von den Wänden herabperlt. Wo sonst sieht man noch Wandpaneele in chinesischer Schnitztechnik aus dem 18. Jahrhundert, die Wanderungen der sieben Gelehrten darstellend, goldlackiert? Oder zeitgenössische Kunst Chinas, kulturrevolutionsbefreit, die Privatsammlung, ach ja, der Initiatoren des Clubs, des Ehepaars Anna und Anno August Jagdfeld. Was also ist er denn nun, dieser Club der superlativen Soupers, der kunstsinnigen Krösusse, der kompatiblen Connoissseurs? Ein fast religiöses Refugium voller Tang-Pferde, voller edler Hölzer, voller schwerer stiller Pracht, geschmackvoll und stilsicher: Ein privates Parade-Paradies.
„Sehen Sie, unsere Kunden”, so sagt es der Geschäftsführer des Clubs, Axel Benz, als wäre er hier geboren und aufgewachsen, ein Gentleman ersten Ranges, „sie sind sehr anspruchsvoll, und eine Mitgliedschaft macht ökonomisch Sinn.” Für einen Konferenzsaal im Adlon, einen kleinen Empfang für Firmengäste sei man schnell 2000 Euro am Abend los, „da lohnt sich unsere plastikene Eintrittskarte im Vergleich”. Und da trifft es sich, dass Benz die Expansion auf 2000 Mitglieder anstrebt, von den 200 Beneidenswerten, die er bereits hat: „Meine Londoner bestürmen mich, das Konzept nach England zu exportieren.” Und gerade die seien es, die den versteckten Kolonialismus, die Anlehnung an den Hongkonger Club begreifen, die den Clubgedanken, hierzulande ein Novum, als Teil ihrer Kultur sehen.
Das Soho House in London mag man vergleichen, der Harvard Club in New York, alles schöne Häuser, alles Instanzen — nur hinein kommt man nicht — hier in Berlin hat man die Zugehörigkeit zumindest demokratisiert. Anno Jagdfeld, man trifft ihn selten, kurz ist er heraufgekommen, ein weißes Einhorn der Hochfinanz, gerade sucht der Mäzen, so heißt es, wieder einmal 300 Millionen zusammen für ein Projekt, Euro oder Dollar, man wagt nicht zu fragen, er hat eigene Ansichten: „Sehen Sie, Luxus schafft Arbeitsplätze, er ist die höchste Form der Demokratisiserung.” Ein bischen klingt er wie Maynard Keynes, „Enzensberger hat einen guten Essay geschrieben, kein System hat die Demokratie so nahezu vollkommen verwirklicht wie das unsere, im Nazismus und Kommunismus, da kommen nur die falschen Leute nach oben, da ist mir die freie Wirtschaft lieber.” Er ist ein intelligenter Mann, er hat wenig Zeit, und ein bisschen scheint es jetzt, als sei dies hier sein Privatvergnügen, er stellt es der Welt zur Verfügung, so wie er das Adlon hingestellt hat, aus dem märkischen Boden gestampft, eigentlich ein Wunder. Dann sagt er leise, „haben Sie die Kunst gesehen?” Ein eindrucksvoller Mann. Geld, Geist, Genie.
Man mag zur ökonomischen Situation in Sichtweite, hinten in Marzahn, stehen wie man will — hier läßt sie sich eine Zeitlang vergessen.
Und so macht es vielleicht auch ein wenig Sinn, dass Mao Tse-Tung diese elegisch-elitistische Entwicklung gleich zweimal von der Seite her skeptisch beäugt: Der Künstler Feng Zheng Je hat ihn als modernen Clown in Öl gebannt, der nun den Fahrstuhl flankiert, Fanal für Flanellträger, ein Kritiker des Kapitalismus. Im China Club Berlin stimmt eben wirklich alles. Klasse macht Kasse.
HARALD STAZOL