Das letzte Mal, dass die Vereinigten Staaten sich so einseitig unilateral und imperialistisch verhalten haben war im Jahr 1846, als sie einen Krieg mit Mexiko provozierten, um sich Kalifornien einzuverleiben. Die Mexikaner haben es inzwischen auf geschickte Weise geschafft ihre alte Provinz wieder zu besiedeln und nur noch Disneyland zeugt vom Höhepunkt unserer einstigen Hegemonie. Gier ist Ursache des bevorstehenden Krieges gegen den Irak, genau wie sie es damals beim Krieg gegen Mexico war: Alle unsere Würdenträger, die Offiziere von Staatswegen sind mit Ausnahme Colin Powells im Ölgeschäft. Die amerikanischen Medien sind geübt darin, sind darauf trainiert, sofort in spöttisches Gelächter auszubrechen, wenn irgendjemand behauptet, es gäbe eine Verschwörung: Egal, ob es sich um den Mord an einem Präsidenten handelt, die Eroberung der Phillipinen, oder eben die Tatsache, dass wir uns in Position bringen, um die Weltölreserven einzukassieren — ob in Eurasien, dem Iran und dem Irak, was immer wir zu fassen kriegen. Ganz egal wo, Hauptsache, wir können danach grabschen. Um also nicht von Konspiration zu sprechen rede ich lieber von Koinzidenz: Vom Zufall, dass zwei Mitglieder der Familie Bush, dass Condolezza Rice, Gale Norton (im Innenministerium) und Rumsfeld alle im Ölgeschäft sind, und dass vor kurzem das Wall Street Journal schrieb, vor allem Cheney und seine Halliburton Company würden von einem Sieg gegen den Irak und von den riesigen Ölreserven profitieren.
Ich glaube auch, dass das Militär außer Kontrolle geraten ist: Vor allem in
seiner Gier nach Geld und den Versuchen, den Verteidigungshaushalt stetig zu erhöhen. Unsere Streitkräfte haben noch nie gerne gekämpft, das amerikanische Volk ist eigentlich im Grunde pazifistisch und neigt mitunter periodisch zum Isolationismus. Einmal glaubte Reagan, ein Eroberungsfeldzug sei amüsant… wo war das noch? In Nicaragua? Die Generäle hielten ihn im Stillen, ganz privat, zurück, weil sie fürchteten, keine öffentliche Unterstützung zu erhalten, gerade nach Vietnam…
Heute kontrolliert die äußerste Rechte mit ihren Machtbasen in den kleinen, verlorenen tiefreligiösen Städtchen im Süden und Südwesten des Landes die republikanische Partei und finanziert sie mit Geld aus dem hauseigenen und landestypischen Ölgeschäft. Weil die amerikanische Verfassung ihrem Wesen nach antidemokratisch ist, wurde das Electoral College installiert, um zu gewährleisten, dass der Wille des Volkes sich nicht durchsetzen kann: Am dramatischsten zeigte sich dies anläßlich der Krönung Georg Bush zum Kaiser des amerikanischen Imperiums, obwohl doch Al Gore zum Präsidenten gewählt worden war. Zufälligerweise sind die rechten Kleinstädter in der Minderheit, aber unser föderales System erlaubt ihnen ebensoviele Senatoren zu stellen, wie New York: Zwei. Das Electoral College besteht aus allen Angehörigen des Repräsentantenhauses und des Senats — deswegen können sich die Kleinstädter verbünden und die Wahl der Mehrheit aushebeln und stürzen, so, wie sie es 1876 taten und eben im Jahr 2000.Wir haben kein nennenswertes Erziehungssystem für die breite Bevölkerung, und die Medien schildern nur die surreale Sichtweise des Vereinigten Corporate Amerika auf den Rest der Welt. Den Amerikanern stehen nur wenige Informationsquellen zur Verfügung, um überhaupt mitzubekommen, was der Rest der Welt tut oder denkt. Die Hälfte von ihnen denkt heute, Saddam sei für den 11. September verantwortlich: Die Kunst der öffentlichen Indoktrination ist sehr hoch entwickelt. Rom hielt den ewigen Krieg für eine nützliche Politik. Hätte Romulus Augustulus, (der letzte römische Kaiser) das Internet zur Verfügung gehabt, würde das imperialistische System noch immer den Palatin beherrschen. Bush hat einen viel fundamentaleren Grund für den ewigen Krieg an den Reichsgrenzen: Traditionsgemäß können in Kriegszeiten unsere Bürgerrechte eingeschränkt werden. Habeas Corpus etwa kann von der Verhaftung ohne Angabe von Gründen ersetzt werden, und das war ja auch das erste Gesetz, das nach dem 11. September durch den Kongress gepeitscht wurde: Der CIA Patriot Act ist nichts anderes als die fast völlige Annullierung, die Nichtung der Verfassung. Arroganz ist eine Begleiterscheinung des Imperiums. Ich habe sieben Romane über dieses Imperium geschrieben, die Geschichte der USA von der Revolution bis zum Millenium: Meine Bücher „Empire“ und „Das goldene Zeitalter“ beschreiben, wie exakt und ausgeklügelt vor allem die Cousins Roosevelt dieses Imperium erdacht und geplant haben. Meine Sichtweise stört vor allem die offizielle Hofberichterstattung, aber ich bin einer Meinung mit Charles Beird, so wie William Appleman mit mir übereinstimmt: Es ist schade, dass nach Deutschland als unserer Eins-zu-eins-Abklatsch-Provinz in den äußersten östlichen Marschen im titanischen Kampf gegen den Kommunismus so wenig Information über seine imperialistischen Herrscher vordrang. Schließlich sind wir doch das Volk Gottes (Abteilung Protestantismus), genau wie Julius Cäsar von Venus persönlich abstammte!
Ich kann die Psyche George Bushs für niemanden erhellen. Er ist ungebildet. Ein Mann, der sich vor dem Vietnamkrieg gedrückt hat. Seine Familie hat weniger Herrschaftsinteresse als an Geldgier — die Eigenschaft liegt in der das ist eine Familieneigenschaft. Dank unserer gefährlich anachronistischen Verfassung aus dem 18. Jahrhundert hat er die Präsidentschaft erhalten, um den Reichen und ihren Unternehmen die Steuern zu erlassen. Die Regierung und die fünfzig Länderregierungen sind tief verschuldet: Und die Tatsache, dass die USA für Bushs Traumkrieg gar kein Geld hat, kann die Welt noch retten. In der Zwischenzeit sollte Europa einige Worte erwägen und bedenken, die schon einmal die Welt von unten nach oben gewendet haben, die Worte der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung: „Wenn es im Lauf der menschlichen Geschichte nötig wird, die politische Bindung eines Volkes an ein anderes zu lösen und selbst die Macht in die Hand zu nehmen, eine eigene und gleichbereichtigte Stellung einzunehmen, zu der sie die Gesetze der Natur und die Natur Gottes ermächtigen, verlangt der Respekt vor der Meinung der Menschheit die Darlegung der Gründe, die sie zu dieser Loslösung veranlassen.“ (aus der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung)
GORE VIDAL (Übs. HARALD STAZOL)