DIE FRAGEN
Es sind einige der Kernfragen dieses Sommers: Warum soll ein Maschinenbaustudent seine Studiengebühren in Hamburg bezahlen, ein Kunststudent aber nicht? Und ist, im gesamtgesellschaftlichen Konsens, ein Künstler, mithin ein zukünftiger, nicht auch ein schützenswertes Kulturgut? In einem ohnehin von einschneidenden Kürzungen betroffenen Bereich? Es geht um 500 Euro pro Semester, es geht um das kreative Potential einer Stadt, die eigentlich reicher nicht sein könnte – nicht zuletzt in einer Konkurrenzrolle zu Berlin: Hamburg könnte ein Gegengewicht zur Hauptstadt sein – viele Kunststudenten werden mit Sicherheit auch dorthin abwandern, zumal in Berlin keine Gebühren zu zahlen sind, und unter ihnen könnten sich die Begabtesten finden, die die Berliner Aufnahmeprüfungen mit ähnlicher Leichtigkeit schaffen werden, so wie sie Voraussetzungen in Hamburg erfüllten. Der Hamburger Kunstprofessor Werner Büttner: „Die rechnen natürlich genauso wie jeder andere Jungunternehmer in Deutschland, sehen, dass die beiden anderen attraktiven vergleichbaren Kunsthochschulen in Deutschland, Berlin und Düsseldorf keine Gebühren nehmen, keinen Bachelor/Master haben, besser mit der Professorenschaft noch bestückt sind. Aufgrund dieser Kosten-Nutzen-Relation stellen sie einfach fest: Hamburg ist unattraktiv, ich bewerbe mich weg, dahin, wo mir diese Zumutungen nicht übern Weg laufen.“
WORUM GEHT ES?
Es geht um junge, hoffnungsfrohe Menschen, die ein Wagnis auf sich nehmen, das der gemeine Maschinenbauer eben nicht eingeht: Das einer unsicheren Zukunft. Einer Zukunft, auf die sich im Turbokapitalismus immer weniger Studenten einlassen wollen, nicht zuletzt der Sorgen der Eltern wegen, die mit Unsicherheiten Karrieren betreffend oft nicht umgehen können. Junge Menschen, die sich für den harten Weg der Kunst entscheiden, müssen schon im Vorwege Widerstände überwinden, die sich so allen anderen nicht stellen, sie müssen ihr Talent unter Beweis stellen, um an den renommierten Kunsthochschulen, zu denen die HfBK seit ihrer Gründung durch die patriotische Gesellschaft Mitte des neunzehnten Jahrhunderts unzweifelhaft gehört, überhaupt angenommen zu werden. Sie flüchten sich, umtost vom gesellschaftlich-wirtschaftlichen Konkurrenzkampf, in die Häfen der kulturellen Bildung, um dort ihren Begabungen freien Lauf lassen zu können – und einer dieser Häfen, ein Hort des kreativen Lebens, ein Anlaufpunkt der leichten Träume, verschliesst seit 16.7.2007, dem Poststempel der nun zugeschickten Exmatrikulationen an knapp 269 der die Gebühren Boykottierenden seine Pforten.
DER KONFLIKT
Es ist dies der Höhepunkt einer Auseinandersetzung zwischen letztlich dem Wissenschaftssenator der Stadt Hamburg und den Studierenden, wobei schon bemerkt werden darf, dass sich die Politisierung Letzterer aus der Sorge um finanzielle Belange speist – aber warum soll sich nicht die Woge der Notwendigkeit am realen, Unmittelbaren brechen?
Ist Bildung nicht ein gesamtgesellschaftliches Gut, das in einer Demokratie schützenswert ist? War freie Bildung für alle nicht ein Ziel der Gründerväter der Bundesrepublik? Hat der Anteil der Studierenden, der akademischen Abschlüsse, aus einkommesschwächeren Schichten nicht schon rapide abgenommen? Und, nicht zuletzt: Hätten Künstler wie Daniel Richter, Loriot, Martin Kippenberger, Jonathan Meese und Rebecca Horn ihr Studium unter diesen erschwerten Umständen überhaupt antreten, geschweige denn beenden können? Oder – aus politischen Gründen – wollen?
WAS KOSTET DIE WELT?
Die „Zeit“ berichtet zur Hochschulpolitik im internationalen Bereich: „In Großbritannien zeigt die Einführung der Studiengebühren katastrophale Auswirkungen auf die gesellschaftlich relevanten, aber nicht direkt ökonomisch verwertbaren Studiengänge. Dort wurden vor zehn Jahren Gebühren in Höhe von 1700 € pro Jahr erhoben. Diese sollen jetzt auf 4500 € pro Jahr erhöht werden. Doch schon heute arbeiten Studierende an englischen Hochschulen durchschnittlich 13 Stunden die Woche und haben dennoch am Ende ihres Studiums durchschnittlich zirka 29.500 € Schulden.“ Und weiter: „Studien aus England haben gezeigt, dass trotz staatlicher Zuschüsse und dem Erlass eines Teiles der Studiengebühren für Menschen bildungsferner Herkunft, der Anteil der Studierenden aus einkommensschwachen Schichten seit der Einführung von Studiengebühren kontinuierlich gesunken ist.“ Die Einführung von Studiengebühren in Großbritannien ist von der zuständigen Berichterstatterin der UNO gerügt worden, was bisher keine Folgen gezeigt hat, da die britische Regierung darauf beharrt, dass die Gebühren in der jetzt gültigen Form den Zielen des Paktes „International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights“ (Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, IPwskR) nicht entgegenstünden.
Studieren in England gerade einmal 40% der jeweiligen Jahrgänge, so sind es in Finnland und Schweden 70%. Die Studiengebührenfreiheit, aber auch die Tatsache, dass dort rund 80% der Studierenden eine staatliche Förderung erhalten führt offensichtlich zu einer enormen Bildungsbeteiligung.
Bemerkenswert auch: Finnland, Schweden und Norwegen haben alle gebührenfreie Hochschulen und sind gleichzeitig die Länder, die auch bei OECD – und Pisastudie erstaunlich gut abschneiden.
Beispiel USA: Die überdurchschnittlich steigenden Gebühren in den USA führen dazu, dass sich die Studierenden hoch verschulden müssen. Gleichzeitig kam es zu einer Dreiteilung der Hochschullandschaft in Private Universities, State Universities und Community Colleges. Letztgenannte sind ausschließlich auf eine schnelle Ausbildung ausgerichtet. Bekannte Publikationen und WissenschaftlerInnen kommen zum größten Teil aus den Private Universities. Der immer wiederkehrende Vergleich mit deutschen Verhältnisse ist sehr verzerrend, da in der öffentlichen Diskussion über die vermeintlich vorbildliche amerikanische Hochschullandschaft ausschließlich auf die privaten Universitäten Bezug genommen wird. Die Studiengebühren differieren enorm zwischen den einzelnen Typen und während Studierende aus sozial benachteiligten Schichten vermehrt die billigeren Community Colleges besuchen, bleiben die elitären Privathochschulen mit ihren Spitzengebühren nur den Reichsten vorbehalten.
Im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, den auch die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete und der im Jahre 1976 in Kraft trat, haben sich die Unterzeichnerstaaten unter anderem im Artikel 13 Absatz 2 c) verpflichtet, „den Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entspreched seinen Fähigkeiten zugänglich zu machen“.
DER SENATOR
Jörg Dräger, Wissenschaftssenator Hamburgs, der selbst einige Eliteanstalten in seiner studentischen Laufbahn besuchen durfte, rief noch vor kurzem die Talentstadt Hamburg aus. Bleibt die Frage, ob diese Talente in der Lage sein werden, ihren Beitrag zu einer lebendigen, vielleicht sogar vorbildlichen und nacheiferungswürdigen Stadt zu leisten, wenn ihnen schon in den Startlöchern finanzielle Hürden in den Weg gelegt werden. Fraglich ist auch, ob der Beruf des Künstlers nicht schon allein durch die Kosten von Material und Medium (Ölfarben, teure Kameras, Filmmaterial etc.) ohnehin schon am Anfang der Karriere mehr in der finanziellen Pflicht steht als der eingangs erwähnte Maschinenbaustudent?
Auch Drägers nun vorgelegter Vorschlag, die Zahlung der Studiengebühren über Studentendarlehen zu ermöglichen, ist für Kunststudenten ein kaum gangbarer Weg. Im Gegensatz zum exemplarischen Maschinenbaustudenten ist für sie eine finanziell abgesicherte Zukunft sehr viel weniger wahrscheinlich. Dies liegt nicht zuletzt am volatilen Charakter der Kunst an sich – und es ist ein Paradoxon erster Güte, dass diese Unsicherheit durch die geforderten Gebühren eher noch verstärkt wird: Statistiken der Künstlersozialkasse würden belegen, dass Künstler nach Ablauf einer dreijährigen Berufsanfängerzeit im Schnitt 10.510 Euro pro Jahr verdienen. Sie erzielten damit noch nicht einmal den Mindestbetrag von 12500 Euro, ab dem sie ihre Schulden zurückzahlen müssten. Kulturrats-Geschäftsführer Olaf Zimmermann dazu: „Studiengebühren zurückzahlen zu müssen, die oftmals über einen Kredit finanziert werden müssen, ist schier unmöglich (…) Wir fordern Hamburgs Ersten Bürgermeister Ole von Beust und Kultursenatorin Karin von Welck auf, Flagge zu zeigen und sich für Kunststudenten einzusetzen.“
DER PRÄSIDENT
Der Hochschulpräsident Martin Köttering sieht im jetzigen Vorgehen einen „gravierenden Einschnitt, dessen Folgen sowohl den künstlerischen Nachwuchs für die Metropolregion Hamburg als auch Studium und Lehre an der HfbK über Jahre maßgeblich beeinträchtigen“. Das Hochschulgesetz zwinge ihn zur Verschickung der Exmatrikulationen. Köttering appelliert an die Studenten, den Senat und die Bürgerschaft, gemeinsam Lösungen zu suchen. Köttering im Interview des Senders Hamburg 1 zur Wettbewerbsfähigkeit der HfBk:
„International sind die bundesdeutschen Kunstakademien absolut Weltspitze, das wird ihnen auch jeder aus Amerika, England, Frankreich, oder auch Japan bestätigen. Die wirklich erfolgreich Kunstakademien, wie Düsseldort, Frankfurt, Berlin, haben keine Studiengebühren.“
DIE PROFESSOREN
26 Hochschulprofessoren äussern sich ähnlich und unterstützen den Boykott in einem offenem Brief mit folgenden Argumenten:
„1. Alle Bundesländer haben die künstlerischen Studiengänge von der Einführung des Bachelor/Mastersystems befreit. Die Hamburger Kunsthochschule ist bundesweit die einzige renommierte Kunsthochschule mit einem modularisierten Studiensystem.
2. Die renommierten Kunsthochschulen sind ebenfalls nahezu vollständig von Studiengebühren befreit:
Kunstakademie Düsseldorf 0,- Euro Studiengebühren
Universität der Künste Berlin 0,- Euro Studiengebühren
Kunstakademie Städel Frankfurt 0,- Euro Studiengebühren…“
Kunstprofessor Werner Büttner hat sich zwischenzeitlich schon gewünscht, die eigene Hochschule möge sich in einen mittelständischen Zahnstocherhersteller verwandeln, denn dann würden die Existenzsorgen beim lange Zeit schweigenden Dienstherrn und Senator Jörg Dräger vielleicht eher Gehör finden: „Da wir aber nur die kleinste der Hamburger Hochschulen sind, noch dazu eine Fakultät der unnützen Dinge, wie es im Sozialismus hieß, hüllen sich die politisch Verantwortlichen in ein unvornehmes Schweigen. Wenn wir 300 Leute auf die Straße setzen, ist die Schule erledigt, gibt es sie nicht mehr und bisher war die HfBK im Konzert der großen Kunsthochschulen eigentlich nicht schlecht vertreten und gut zu hören.“ Zur Not werde er die Studenten eben „unentgeltlich in meiner Freizeit unterrichten“. HfBK-intern verlautete dazu, dass Dräger mit Disziplinarverfahren drohe, sollten Professoren unentgeltlich unterrichten. Büttner dagegen findet es selbstverständlich, sich für seine Studenten einzusetzen. Er nennt das Beispiel Joseph Beuys: Der berühmte Künstler habe einst trotz einer vorgeschriebenen Begrenzung der Studentenzahl einfach alle Studenten in seinem Seminar aufgenommen, die teilnehmen wollte. Beuys wurde daraufhin allerdings hinausgeworfen.
UND JOSEPH BEUYS
Der Spiegel dazu: „Beuys war zudem der Meinung, dass jeder, der den Wunsch hat Kunst zu studieren, nicht durch Zulassungsverfahren, wie zum Beispiel ein Mappenverfahren – der Bewerber musste einen Nachweis seines Talents in Form von Arbeiten vorlegen – oder einen Numerus clausus daran gehindert werden sollte. Seinen Kollegen teilte er mit, dass er alle von anderen Lehrern abgelehnten Bewerber um einen Studienplatz in seine Klasse aufnehmen werde. Mitte Juli 1971 wurden 142 von 232 Bewerbern für ein Lehramtsstudium im normalen Zulassungsverfahren abgelehnt. Am 5. August 1971 verlas Beuys vor der Presse einen öffentlichen Brief, den er am 2. August an den Akademiedirektor geschickt hatte. Alle 142 abgewiesenen Studenten waren von Beuys in seine Klasse aufgenommen worden; er hatte im folgenden Semester etwa 400 Studenten. Am 6. August erläuterte das Wissenschaftsministerium der Presse, dass es diese Zulassung der Studiumsbewerber nicht genehmige und den Bewerbern ein Studium an einer anderen Akademie anbiete.
Am 15. Oktober 1971 besetzte Beuys mit siebzehn Studenten seiner Gruppe das Sekretariat der Akademie. In einem Gespäch mit dem Wissenschaftsminister Johannes Rau erreichte er, dass die Kunstakademie diese Bewerber mit der Empfehlung des Wissenschaftsministeriums aufnahm. Mit Datum vom 21. Oktober teilte das Wissenschaftsministerium Beuys schriftlich mit, dass solche Situationen nicht mehr geduldet würden, aber Beuys nahm die Warnung nicht ernst.
Im Februar 1972 fand an der Kunstakademie eine Beratung über ein neues Zulassungsverfahren statt, an der auch Beuys selbst teilnahm. Die Größe einer Klasse war begrenzt auf 30 Studenten. Im Sommer wurden 227 Studienbewerber aufgenommen, 125 abgewiesen. 1052 Studenten waren an der Düsseldorfer Kunstkademie immatrikuliert, davon waren 268 in der Klasse Beuys.“
HANSEATEN
Ist es nicht hanseatische Tradition, gerade den weniger Bemittelten Chancen zu ermöglichen? Profitiert die Hansestadt à la longue nicht auch gerade von ihrem Ruf der Unabhängigkeit gegenüber anderen Bundesländern? Ist es denn wirklich so grosser Luxus, sich eine Institution wie die HfbK zu leisten, schon allein um möglichst selbst vom projektierten Talentschub zu profitieren? Wobei nicht unwesentlich ist, dass die Kunstszene selbst von ihren Erfolgen oft am wenigstens profitiert – sie ist ein Impulsgeber, ein Trendsetter, der seine Kreativität an das wirtschaftliche Umfeld wie Werbeagenturen und Medien abstrahlt. Man könnte auch die den Hanseaten an sich definierende Haltung des Mäzenatentums anführen, eine Haltung, die das Verhältnis von Geld und Kultur seit Generationen bestimmt hat: Der Neubau der Neuen Philharmonie wird schliesslich auch zum Grossteil mit privaten Mitteln bestritten. Sollten sich nicht einige private Spender finden lassen, die den wirklich bedürftigen Studenten (womöglich liessen sich die auch durch ein faires Auswahlverfahren ermitteln), oder gar die gesamte Studentenschaft an sich finanzieren könnten?
Überdies ist durchaus interessant, dass der Hamburger Konflikt stellvertretend für andere Bundesländer geführt wird und sich der Hamburger Boykott als beispielhaft für die Hochschulpolitik insgesamt sieht: Sogar der Deutsche Kulturrat hat sich inzwischen in die Diskussion eingeschaltet und kritisiert den Rauswurf der 269 Hamburger Studenten. Auch hier die Warnung: Es werde damit in Kauf genommen, dass angehende Künstler und Designer der Stadt den Rücken kehren.
DAS GERICHT
Auch die Judikative hat sich inzwischen mit der Problematik befasst: Am 26. Januar 2005 hat das Bundesverfassungsgericht das 2001 eingeführte Verbot von Studiengebühren im Hochschulrahmengesetz für nichtig erklärt, da es in die Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer eingreife (Az.: 2 BvF 1/03). Der Vorsitzende Richter, Winfried Hassemer, wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass das Gericht nicht über die Zulässigkeit von Studiengebühren entschieden habe. Wegen der eigentlichen Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer im Hochschulwesen sei ein Eingreifen durch Bundesgesetz daher verboten.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich jedoch vorbehalten, zur Frage der Sozialverträglichkeit von Studiengebühren erneut Stellung zu nehmen, insbesondere dann, wenn die von Kritikern befürchteten Auswirkungen tatsächlich eingetreten seien, um zu entscheiden, ob diese tragbar seien. Dazu müsse es aber erst einmal kommen; aus der jetzigen Perspektive sei ein Verbot von Studiengebühren verfrüht, insbesondere wenn es durch den Bund und nicht durch ein Bundesland selbst erfolgt.
Interessant ist dieses Urteil auch in Bezug auf das Numerus-Clausus-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, denn dieses forderte gerade eine bundeseinheitliche Regelung zur Vergabe von Studienplätzen und Studienorten.
Die boykottierende Studentenschaft erwägt, das Verwaltungsgericht anzurufen, um gegebenenfalls aufschiebende Wirkung für die Zahlung der Gebühren zu erreichen, und rechnet mit einem Zeitgewinn von bis zu drei Jahren – danach wird erwogen, in die nächste Instanz zu gehen.
DIE ZEITUNGEN
Das Hamburger Abendblatt kommentierte, es sei von der Studentenschaft unklug taktiert, den Senat bis auf Äusserste mit einem Gebührenboykott zu konfrontieren – der sei nun zur Härte gezwungen: Der GEW-Chef Klaus Bullan meint: „So viel Ungehorsam kann
Wissenschaftssenator Jörg Dräger offenbar nur schwer ertragen und stellt
auf stur.“
Die Berliner Zeitung urteilt: „Unfrieden und die Vertreibung des talentierten Nachwuchses – das ist die traurige Ernte einer unsozialen, egoistischen Politik. Es ist die Quittung dafür, dass eine Reihe unionsregierter Länder auf schnellstem Wege Gebühren einführte, nachdem das bundesweite Verbot gefallen war. Sie taten es, ohne sich mit anderen Bundesländern abzustimmen, wie man das normalerweise in einem föderalen Staat tut. (…)
Die Politik ist aber nicht nur dumm, sondern auch schizophren. Während der Künstlernachwuchs Hamburgs vertrieben wird, weil er die insgesamt erwartete Viertelmillion Euro pro Jahr nicht zahlt, gibt das Land Millionen für Gutachten aus – zu der Frage, wie man Talente nach Hamburg holen kann.“
DER VERDACHT
Zu hoffen ist dabei, dass zu den befragten Gutachtern nicht ausgerechnet die Unternehmensberatung Roland Berger zählt, für die der Hamburger Wissenschaftssenator Dräger von 1996 – 1998 arbeitete…
Roland Berger ist, nebenbei bemerkt, bei der vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall finanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft engagiert, die sich für wirtschaftliberale Reformen stark macht.
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ist eine im Jahr 2000 vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall gegründete sowie von weiteren Wirtschaftsverbänden und Unternehmen getragene PR-Agentur, mit dem Ziel, die Bevölkerung von neoliberaler Reformpolitik zu überzeugen. Gehört es etwa zum Programm des Neoliberalismus, Kunsthochschulen mit Gebühren zu belegen?
DIE LÖSUNG
Der regierenden Bürgermeister, Ole von Beust, hat sich zum Thema trotz mehrfacher Aufforderung noch nicht geäussert, obwohl es sich doch als im Wahlkampf relevant erweisen dürfte. Bleibt zu hoffen, dass einer der Kombattanten bis zum Ablauf der letzten Zahlungsfrist am 30. September einem Kompromiss zustimmt – womöglich sogar auf Anraten eines Schlichters: Der ehemalige Kulturstaatsminister und jetzige SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann böte sich dazu fast logisch, ja, zwingend an.