Es ist schon erstaunlich, wie bescheiden ein neuer, junger Maler sein kann, obwohl an der Kunsthalle fussballfeld-grosse Plakate mit seinem Namen in meterhohen Lettern hängen. Gestern führte er eine Gruppe Kunststudenten (und mich) durch das dritte und zweite Stockwerk des Museumsneubaus von Unger und erklärte den Bau für völlig ausstellungsfeindlich – „wer kann schon mit dem Ausblick auf die Binnenalster durch die Fenster konkurrieren, sensiblere Arbeiten haben es da schwer, am liebsten würde ich die zuhängen, ausserdem ist die Decke zu niedrig“. Womit dann auch gleich klargestellt ist, dass seine Arbeiten alles andere als sensibel sind. Richter nimmt sich auf wohltuende Weise nicht so ernst und sieht vor seinen riesenhaften Gemälden ein wenig verloren aus, was auch an der Anwesenheit seines ehemaligen Professors Werner Büttner liegen mag, der ziemlich arrogant und unsympathisch wirkt, dem Künstler schon mal jovial auf die Schulter klopft und sich über „dreckig gemalte Schatten“ beschwert. Die Kunststudenten stehen wie Stimmvieh umher und stellen keine Fragen (trotz mehrfacher Aufforderung) – und im Geheimen wünschen sie sich alle, ein wenig wie Richter zu sein: Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei, und die Zeit löst sich auf wie eines der Werke aus Richters abstrakter Phase, nur dass sie dabei nicht so farbenfroh und elegant ist wie die Originale. Denke über ein Portrait des Malers nach…