Hommage à la Russie: Der Überfall – und Putin und Pushkin

man hat ja von den Russen schon einiges gehört, aber wenn sie einem zu zweit am Hauptbahnhof morgens um drei auflauern, und man schon etwas Chardonnay getrunken hat, weil einer der besten Freunde gerade aus London da ist und seinen Geburtstag feiert, und sie einen mehr oder minder höflich nach der Brieftasche fragen, dann ist meine Geduld schon einmal am Ende. Der eine hält mich fest, während der andere in mein Sakko greift, und natürlich nichts findet (Dandys haben nie Bargeld dabei), und ich schreie wie am Spiess „Leave me alone“ (warum eigentlich auf englisch, Fragen über Fragen), und dann lassen sie ab von mir und haben zum Glück kein Messer dabei und rennen mir auch nicht nach, während ich in Richtung meines Lofts spurte, um dann die Betontreppen hinunterzufallen, weil meine Schuhe zwar elegant, aber nicht für Spurts geeignet sind, und ich mir die Lippen aufschlage und jetzt aussehe wie Hitler, dann ist der Spass auch begrenzt. Finde ich jedenfalls, und verfluche mich, weil ich in der Schule beim Kick-Boxen nicht aufgepasst habe und noch am Tag zuvor meine Reitstiefel anhatte und wahrscheinlich von den Russkis als unangreifbar gewertet worden wäre, faute de mieux (was übrigens nach Sloterdijk und dem Wahrig Wörterbuch in Ermangelung eines Besseren heisst).

Was uns directement zu Putin führt. Ich habe mir die Frage gestellt – und stelle sie hiermit zur Diskussion – ob es den Normalbürgern des Zaristischen Russlands eigentlich schlechter ging als heute den verarmenden Bürgern, während sich die Oligarchen an Gas und Öl so gütlich halten, wie es der zahlenmässig wohl vergleichbaren Adel unter Nicolaus II. am Volke getan hat. Zumal sich Putin ohnehin schon im Kreml mit den Insignien der alten Reussen umgibt, bei Staatsbesuchen den roten Teppich nie verlässt, zum Geburtstag St.Petersburgs ganze Schlösser renovieren liess und in seiner Machtfülle den Zaren mit Sicherheit übertrifft. Mit anderen Worten: DIE REVOLUTION WAR EIN FEHLER. Jawohl. Die hätte übrigens auch Pushkin nicht gewollt. Und Tolstoy schon gar nicht. Und wer das nicht einsieht, frage am besten mal einen Russen, der mehr oder minder höflich nach einer Brieftasche fragt…