Jeder Schnörkel wäre zuviel
Männer tun sich allgemein schwer mit der Mode: Entweder werden sie als Gecken verlacht oder als Modemuffel kritisiert
Ein eleganter Mann ist immer in Gefahr: Er balanciert auf der Schnittstelle zwischen Abgehobenheit und Realität, bewegt sich, begrenzt von Aufmerksamkeit und Lächerlichkeit, wagt sich auf das Gebiet der Selbstdarsteller und der Komödianten. Zu gut angezogene Männer verlieren oft an Glaubwürdigkeit, und gewinnen am Geckenhaften es ist das grundsätzliche Dilemma der Männermode: Echte Männer kümmern sich nicht um ihr Aussehen, weil ja schließlich nicht das Aussehen zählt, sondern das, was sie eben machen. Da macht es auch nichts, daß die meisten Männer der Gegenwart immer weniger machen und deswegen eigentlich immer besser aussehen wollen der fundamentale Widerspruch der Männlichkeit.
Männer, die sich viel Zeit für ihre Kleidung nehmen, haben im Blick der Öffentlichkeit stets etwas Suspektes. Da wären einmal die Vertreter: Sie haben durch ihr Auftreten den ersten Eindruck, den sie vermitteln ihr Produkt zu verkaufen, Zuversicht vermittelnd und auch Solidität. Nicht wenige Geschäftsleute verstehen sich auf diesen sehr bodenständigen, hausbackenen und dabei irgendwie dynamischen Stil, der nicht verschleiert, aber auch nichts offenläßt. Feste Schuhe, gedeckte Farben, offene Hemdkragen sollen die Botschaft vermitteln: „Was ich anpacke, hab ich im Griff“. Jeder Schnörkel wäre da zuviel, ein Anzug, ein dunkler noch dazu, wirkte in den Milieus der kleinen Deals übertrieben, und keinesfalls darf man sich ja über den erhe- ben, mit dem man in Verhandlungen tritt.
Selten kleiden sich Männer dem Anlaß gemäß. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen hat sich das moderne Leben von klar abgeteilten Zeitpunkten zwischen Morgen, Mittag und Abend in ein Kontinuum ohne unterscheidbare Anlässe verwandelt. Vergangen die Zeiten, in denen man von den Schuhen des Morgens in die schwarzen für den Abend wechselte. Man kommt einfach nicht mehr dazu. Statt dessen trägt man den Anzug im Büro, ins Restaurant und danach in die Bar, eben weil der ganze Tag ein Fließendes ist. Diesem modernen Anspruch hat auch die moderne Kleidung gerecht zu werden, und dies wiederum ist der Grund dafür, daß den Männern zur Zeit nur zwei Alternativen zur Bedeckung ihrer Nacktheit verbleiben: Die klar reduzierte und eigentlich im Wesen konservative, und die sportliche.
Der Vorläufer des schwarzen Gucci-Anzugs etwa findet sich in der schwarzen Tracht des Hofes der spanischen Habsburger. In einem der vielleicht bedeutendsten Gemälde Tizians sitzt denn auch Karl V., der Herr der damaligen Welt, in lässiger Pose auf einem Stuhl, dreiviertel nach vorn gewandt und von Kopf bis Fuß in düsteres Schwarz gewandet.
Pomp ist ihm fremd, wozu auch, er ist ja der Kaiser. Farbe trägt er nicht, weil er nicht mehr auffallen muß, schließlich sitzt er im eigenen Palast. Unkündbar ist er auch, was die Lässigkeit erklärt. Gut sieht er aus, obwohl er den Zenit längst überschritten hat, aber das ist nicht von Belang: Mächtige Männer, die die Welten bewegen, erscheinen fast immer attraktiv, weil die Macht sie zur Erscheinung wandelt. Der gute Anzug nun dreht diesen psychologischen Effekt gleichsam um. Er läßt den Träger mächtig und wichtig erscheinen, weil er eben attraktiv wirkt. Und deswegen geben Manager wie Politiker viel Geld für gute Anzüge aus.
Das Gegenstück zum Repräsentations-Porträt Karl V., zeigt den Kaiser als Sportler, auch von Tizian gemalt.
Dynamik soll vermittelt werden. Unter ihm das sich bäumende Pferd beherrscht er spielend, den Blick richtet er in weite Fernen, und wer ganz genau hinsieht stellt fest: Da ist sie, die Ähnlichkeit zu den Fotos vom joggenden Bill Clinton im Trainingsdress, zu den Marathon-Abgeordneten und Radler-Kandidaten. Sogar die bunten Farben sind dieselben, und wo der Kaiser damals in die Schlacht ritt, rast man jetzt halt in die Zukunft. Sportlich eben.
Und eigentlich recht lächerlich: Fitneß-Wahn und Bodybuilding haben vergessen lassen, daß etwa im viktorianischen England Muskeln lediglich auf harte, körperliche Arbeit schließen ließen, keinesfalls aber auf hohen Rang in der Gesellschaft. Zwar ist Lady Chatterleys Liebhaber gut in Schuß und der kräftige Stallbursche noch heute die bevorzugte Sexualphantasie einer ganzen Generation, aber wirklich gesellschaftsfähig sind weder Arnold Schwarzenegger (trotz Kennedy-Heirat), noch Sylvester Stallone oder Markus Schenkenberg.
Ein Zuviel an zur Schau gestelltem Körper, die durch den straffen Stoff strahlende Nacktheit hat immer den faden Beigeschmack der Verfüg-barkeit.
Pullover mit V-Ausschnitt oder offene Hemden entstammen dieser proletarischen Idee genauso, wie Sportswear, Polohemden, Militaryhosen oder auch die Blue Jeans (die Arbeitsmode schlechthin). Sie wirken stets irgendwie sexy, gelten aber eigentlich als unseriös, und, an älteren Männern, schlechthin als unpassend. Warum? Weil die Gesellschaft erwartet, daß Herren im fortgeschrittenen Alter weise genug sind, sich selbst einzuschätzen.
Nur drei neutrale allgemein anerkannte Kleidungsformen gibt es, in denen ein Mann immer gut aussieht. Erstere ist die Uniform, auch wenn diese Behauptung Pazifisten nicht gefallen wird. Kaiser Franz Joseph trug tagaus, tagein privat Uniform. Nicht, weil er mußte, sondern aus reiner Bequemlichkeit und und weil er ruckzuck mit den passenden Orden offiziell werden konnte. Zweitere ist der Smoking, dessen traditionelle Form noch jeden dritte-Klasse-Passagier im Handumdrehen in die erste Klasse aufsteigen ließ, nicht erst seit Leonardo DiCaprio in „Titanic“. Und die dritte schließlich: Ein weißes T-Shirt und eine blaue Jeans. Eigentlich ist alles ganz einfach, aber zwischen diesen drei Alternativen liegen Abgründe.