Prunk und Protz – Juwelen

Es gibt Frauen, die tragen einmal Juwelen und schon lösen sie einen Trend aus: Als Marylin Monroe „Diamonds are a Girls best friend“ sang, begann ein noch heute anhaltender Run amerikanischer Mädchen auf die weissen Feuer der Brillianten, und bis heute manifestiert sich die Ernsthaftigkeit eines Heiratsantrags an der Grösse und Reinheit des dargebotenen Solitairs im Verlobungsring aus.

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Und natürlich trug auch Audrey Hepburn in Truman Capote´s Frühstück bei Tiffany ihren Teil dazu bei. Wenn die Woolwortherbin Barbara Hutton ihre Diamantarmbänder fallen liess, löste sie bei ihren Freunden und Schmarotzern kleine Erschütterungen aus.
Prinzessin Diana aber war zu wahren Erdbeben fähig. Als die Princesse of Wales auf einem Empfang ein Saphirkollier eng um den Hals zu einem atemberaubend kurzen und dekolletierten schwarzen Trägerkleid trug, damit aus einem Jaguar der königlichen Autoflotte sprang, die Treppen eines englischen Landsitzes hinauf, an einem wunderbaren Sommerabend Mitte der Achtziger Jahre, da lichteten hunderte Fotografen diesen Moment ab, das Bild ging um die Welt und der Trend auf grosse, farbige, kostspielige Steine war geboren.

Es ist fraglich, ob Dianas Lächeln von dem einzigartigen Glanz der Steine erhöht wurde, oder der grosse, zentrale Saphir im Cabochonschliff von mindestens zwanzig Karat, ein Geschenk der Queen, von ihrem Antlitz erstrahlte – ohne Frage ist, dass die Lust der Weiblichkeit weltweit auf grossen, möglichst farbigen Schmuck seitdem und seit Jahren auf ein neues Hoch zustrebt, das seinen Zenit noch nicht ganz erreicht zu haben scheint.

Eine typische, junge, sagen wir, New Yorkerin träumt von einem rubinroten, kanariengelben oder tiefblauen Cocktailring, den sie sich, und das ist neu auf dem Juwelenmarkt, nach Möglichkeit von ihrem eigenen Geld kauft. Hingucker sind gewünscht, je mehr Karat, desto besser. Brillantumkränzt, in Gold oder Platin gefasst, von Cartier, Piaget oder Graff. Die grossen Juweliere kommen diesem Kundenwunsch nach und stellen ihr Sortiment seit Jahren um: Kolliers, Ohrgehänge und immer wieder zuckerstückgrosse Ringe – Hauptsache überdimensional und farbig. Auch die erschwinglicheren Halbedelsteine – die den Edelsteinen farblich oft in nichts nachstehen – erleben so eine Renaissance: Citrin, Topas, Granat, Amethyst, Karneol, Türkis oder Lapislazuli, von denen die transparenten inzwischen als Farbsteine gelten, kommen dem Run auf reine Grösse entgegen. Hans Stern, ein hochkarätiger Juwelen-Doyen reinsten Wassers (der gerade 85jährig verstarb, ein unersetzlicher Verlust für die Fachwelt) sagte dazu treffend: „Es gibt keine Halbedelsteine, genauso wenig, wie es halb schwangere Frauen oder halb ehrliche Menschen gibt“ – und 1971 gab ihm das Gemological Institute of America Recht. Die Kollektion Rainbow von H.Stern ist denn auch ein wahres Feuerwerk von Halsketten und Armbändern: Die Steine sind in den Farben des Regenbogens nebeneinander angeordnet und changieren von zartestem Hellgelb über Grün und Rot zum Bläulichen hin – für die Trägerin die reine Augenweide.

Eines der schönsten Beispiele für eine glückliche Verbindung von Farb – und Edelsteinen dürften die beiden Armreifen sein, die Gloria Swanson 1932 bei Cartier erwarb: Brillianten sind dort mit eisblauen Bergkristallscheiben vermählt und die beiden Steinarten ergänzen und erheben sich gegenseitig auf das Wundervollste. In dem 1950 gedrehten Filmklassiker „Sunset Boulevard“ trägt sie die Reifen an beiden Handgelenken.
Ritz Fine Jewellery aus London präsentierte vor kurzem mit ähnlichem Effekt einen Ring wahrhaft epischen Ausmasses in seiner Auslage, einen „yellow fancy diamond“ im Kissenschliff, umkränzt von weissen Steinen, aus Platin, von dessen Preis man diskret schweigt, und der Juwelier Hirsh, ebenfalls mit Sitz in London, schwelgt in einem Rubinkollier tropfenförmiger Steine zu 7,60 Karat, „a fabulous collection of rubies“, begleitet von 10,41 Karat „feiner Diamanten im Brilliant- und Birnenschliff“, Preis ebenfalls auf Anfrage. Graff, auch London, ist stolz auf „the most fabulous jewels in the world“, die wundervollsten Juwelen der Welt, und untermauert diesen Anspruch mit einem nur aus herzförmigen Diamanten geschaffenen Kollier, an dem ein riesiger, zartgelbfarbiger Stein von etwa 25 Karat hängt.

Warum der Juwelentrend häufig englischen Ursprungs ist? Die Nähe zum am längsten regierenden Königshaus Europas mag einer der Gründe sein. Die Royals tragen ihre Schätze ja ständig zur Schau. Weitere Gründe: Eine Klassengesellschaft, die in Grossbritannien noch Anlässe kennt, zu denen man sich mit Diademen schmückt – sowie natürlich die Tatsache, dass die Diamantenbörse in London die grösste der Welt ist und das fast monopolbeherrschende Konsortium De Beers dort seinen Sitz hat. Juwelen und Adel gehen seit Jahrhunderten eine enge Beziehung ein, und das reiche Bürgertum ahmt diese gerne nach. Weitere Trendhauptstädte sind Paris und New York und ihre dynamischen und frisch zu Geld gekommenen Oberschichten, die zudem gerne in krisensichere Werte wie Gold und Geschmeide eher langfristig investieren – abgesehen vom reinen Statuscharakter war Schmuck schon immer ein leicht transportierbares und schnell zu veräusserndes Asset.
Doch warum nun der neue Hang zur Farbe? Eine mögliche und logische Erklärung: Die immer puristischer werdende Mode. Schwarz, Braun, Grau oder Blau, propagiert vor allem von Gucci, Jil Sander, Calvin Klein und Prada, deren Entwürfe immer klassischer und auch konservativer werden. Die schlichten Kreationen haben zur Folge, dass auffällige, schwere Schmuckstücke viel eher Akzente setzen und die klaren Linien, die einfachen Schnitte auf den Laufstegen gewissermassen etwas auflockern, und die noch immer vorhandene Lust der Damenwelt auf Lichtes, Schillerndes und Leuchtendes auffangen. Ein ähnlicher Effekt liess sich im viktorianischen Zeitalter beobachten, als nach dem Tod des Prinzgemahls Albert der ganze Hof bis zum Tode Victorias schwarz trug und die Prachtentfaltung sich dafür in den Schmuckstücken entlud. Und noch heute ist es bei Juwelieren üblich, die Pretiosen auf möglichst dunklen Hintergründen, vorzugsweise Samt in Schwarz oder Nachtblau zu präsentieren.
Natürlich ist die Stunde des Regenbogens, wie sie die Manufakturen edlen Geschmeides in aller Welt ergriffen hat, nur eine Reprise des schon Dagewesenen. Der Juwelen-Experte David Bennett, der in der Branche den Spitznamen „Mister 100 Karat“ trägt, weil er bei Sotheby´s selten kleiner Steine unter dem Hammer hatte, schreibt in seinem Grundlagenwerk „Understandig Jewellery“: „Um 1870 überschwemmten Diamanten indischer Provenienz den Markt derart, dass die Kundinnen statt kleinerer, oft minderwertiger Stücke lieber zu den grösseren, lupenreinen Brillianten übergingen.“ Um die Jahrhundertwende „wurde die Technik der Schmucksteinfassung derart vervollkommnet, dass die Fassungen selbst immer mehr in den Hintergrund traten und völlig neuartige Entwürfe ermöglichten – die Betonung lag von nun an auf den Pretiosen selbst, eine Entwicklung, die heute in nahezu unsichtbar montierten Steinen ihren Höhepunkt findet.“

Eine der Sternstunden des Farbsteines dürfte das grosse Durbar in Delhi 1903 gewesen sein, als sich der britische Hochadel zur Feier der Krönung Edward VII. zum Kaiser der Kronkolonie Indien selbst eingeladen hatte. Die Maharadschas, Moguln und Fürsten des Subkontinents hatten sich und ihre Ehefrauen über und über mit den schönsten Juwelen bedeckt, sie tropften förmlich von Rubinen, Diamanten aller Couleur, grünstrahlenden Smaragden und tiefblauen, kirschkerngrossen Saphiren – und den Engländern kam eine Gepflogenheit des Landes reichlich zugute: Sobald eine der englischen Ladies sich mit Komplimenten über die Pretiosen ihrer kolonisierten Gastgeber ergingen, gebot und erforderte es die indische Höflichkeit, die Edelsteine mit typischer orientalischer Geste der lobenden Dame zu übereignen. Zahllose Geschmeide wechselten so den Besitzer, um die ureigenst indische Grosszügigkeit zu manifestieren (und auch eine gewisse Lässigkeit, man hatte ja unendliche Ressourcen zuhause im Palast) – die Engländer bereicherten sich nahezu hemmungslos, und viele Familien des Adels gründeten zu dieser Zeit ihre oft beachtlichen Sammlungen. Eine Maharani jedoch rächte sich später auf ganz besondere Weise: Die Herzogin von Windsor, Gattin und Grund für den Thronverzicht ihres Mannes, des Herzogs und ehemaligen König Edward XVIII., erschien auf einem Ball in New York mit einem fantastischen Smaragdkollier um den Hals. Eine indische Adelige, die ihr bei dem Empfang vorgestellt wurde, sagte mit einem Funkeln in ihren Augen: „Oh, Hoheit, ich kenne diese Steine. Ich trug sie allerdings an meinem Fussgelenk!“
Um 1930 herum erreichte die Begeisterung für Smaragde, Rubine, Saphire und Aquamarine die Juweliere weltweit, wie das beeindruckende „Hindu-Collier“ von Cartier zeigt, das die Millionenerbin Daisy Fellowes erwarb und zu dem in der Monographie „Cartier 1900 – 1939“ des Metropolitan Museum of Art lapidar vermerkt wird, dass die Steine von der Kundin alle geliefert wurden – nicht umsonst hat man den Stil solcher Farbenpracht „Tutti Frutti“ genannt, ein Blick darauf genügte zur völligen Erblindung.
Ihren bislang filmischen Höhepunkt aber dürfte die Hausse der farbigen Juwelen in einer wahren Apotheose weiblicher Schmuckbegeisterung gefunden haben, dem Epos „Casino“ in wahrhaft hockarätiger Hollywood-Besetzung: Sharon Stone wird von ihrem Filmgatten Robert DeNiro zur Hochzeit mit einem ganzen Safe-Inhalt edelster Bulgari-Pretiosen überhäuft, in dem sie auf ihrem Bett völlig begeistert förmlich badet. Und dann stellt sie wohl die Traumfrage jeder Frau, die Juwelen liebt: „Darf ich das alles auf einmal tragen?“
Und natürlich darf sie…