„Ich verlange mir Perfektion ab. Und dann haue ich die Ecken und Kanten ab“
Michael Bastian
Der amerikanische Designer Michael Bastian, 42, Raucher, gilt in der Modebranche als eines der wichtigsten und einflussreichsten Talente in der Fashionwelt jenseits des grossen Teichs. Zur Mode kam er eigentlich rein zufällig. Nach Jobs bei Tiffanys und Sotheby´s war er fünf Jahre Chefeinkäufer beim New Yorker Nobelkaufhaus Bergdorf Goodman, bis er 2006 sein eigenes Label für sportlich-klassische Menswear aufmachte. Im Moment ist er damit beschäftigt, sich auch auf dem deutschen Markt zu etablieren. OBJECTS traf ihn zwei Wochen vor seiner Kollektionsschau auf der New York Fashion Week voll im Stress in seinem Showroom in Mailand. 1O Fragen an den zur Zeit vielleicht coolsten Macher für Männermode der Gegenwart – natürlich exclusiv.
HNS: „Herr Bastian, Ihre letzte Show war eine Hommage an James Dean – was er heute anziehen würde, wenn er heute wieder da wäre – wie würden Sie die Inspiration, die Stimmung, die Idee ihrer neuen Kollektion beschreiben?“
Bastian: „Für die Saison Herbst/Winter 2012 war die die Idee dieser spezielle Mann in New York, den wir hier als den „Extra Man“ bezeichnen: Das sind im Grunde die jungen Typen, die so charmant, gut angezogen und attraktiv sind, dass die Gastgeberinnen in der ganzen Stadt immer ihre Telefonnumern dabei haben, für den Notfall. Als Extra auf ihre Dinner-Parties einzuladen, wenn ein Mann fehlt. Ich mag diesen Gedanken an einen „Extra Man“ der so amüsant und voller Esprit ist, dass man ihn überall dabeihaben will – und jeder beim Dinner hofft, dass er den Platz neben ihm erhält.“
HNS: „Wie würden Sie diesen idealen Mann, den Kunden beschreiben, den „Guy“, dessen Lieblings-Label Sie sind. Kurz: An wen denken Sie, wenn Sie entwerfen? Ist es immernoch der College-Absolvent, der Kleidung für seinen ersten Job in der city sucht, wie Sie einmal sagten?“
Bastian: „Ja, Sie haben Recht – als ich Michael Bastian für GANT machte, dachte ich genau an den Jungen, der gerade die Uni hinter sich hat und seine erste Garderobe fürs daily business zusammen stellen muss. Und dann begriff ich, dass das eigentlich für alle möglichen Leute in allen möglichen Altersgruppen passt. Ich trage selbst noch die GANT-Teile und mixe sie mit denen aus meiner eigenen Kollektion, ich bin quasi der lebende Beweis, dass das gut geht: Ein Mann zwischen 30 und 40, ein Stadtmensch, ein Vielbeschäftigter, der einen klassischen Look sucht, der zugleich modern ist und einfach tolle Details bietet.“
HNS: „Eines ihrer Lieblingskleidungsstücke ist immernoch der blaue Kaschmirpulli, den Sie von ihrer Mum mit 18 bekamen, den tragen Sie noch manchmal. Gibt es ein besonderes Teil in Ihrer Kollektion, das ihrer Meinung nach für einen Kunden eine ähnliche Wichtigkeit erreichen könnte?
Bastian: „Nun, ich glaube Pullis oder Sweaters sind wohl prädestiniert dafür, zu Lieblingen im Kleiderschrank zu werden – vielleicht weil sie einen warm halten, sie sind weich und anschmiegsam wie nichts sonst. Diesmal haben wir eine ganze Menge toller Pullover, in die sich ein Mann verlieben kann – inklusive eines besonders schönen, der dem von Charlie Brown ähnelt.“
HNS: „Sie wurden in den Medien als das „hottest ticket“ der Modewelt zur Zeit bezeichnet und haben den renommierten CFDA-Preis als bester Newcomer 2010 erhalten, nachdem Sie bereits dreimal zuvor nominiert waren – was macht so ein Titel aus und wie stellen Sie sich diesen hohen Erwartungen?“
Bastian: „Ehrlich gesagt, denke ich gar nicht so sehr darüber nach. Es ist ein seltsames Business, indem wir alle arbeiten. Man muss sich selbst alle sechs Monate neu erfinden, uns neu orientieren, die ganze Zeit nach vorne sehen. Man hat keine Zeit, da lange zurückzublicken.“
HNS: „Wo sehen Sie sich selbst in zehn Jahren?“
Bastian: „Ich wäre sehr happy wenn meine Marke zum Favouriten für jede Menge Männer weltweit würde – wir müssen ja gar nicht die Grössten sein, aber eben der Liebling für viele.“
HNS: „Sie haben einmal gesagt, Sie können sich ihre eigenen Kleidungsstücke selbst nicht leisten. Sie sind gerade dabei, die Preisstruktur etwas herabzusetzen, indem Sie neue Produktionsstätten finden, ohne Ihre hohen Standards bei Verarbeitung und Material zu gefährden. Wie machen Sie das?“
Bastian: „Nachdem wir unsere Lizenzen der früheren Kollektionen für Produktion und Distribution aufgekündigt hatten haben wir neue Hersteller gesucht, was unsere Preise deutlich attraktiver macht. Die grösste Veränderung ist die Verlagerung der Produktionsstätten von Italien nach Portugal. Dort kann man genau die selben Standarts für Qualität, Material und Verarbeitung erreichen, aber eben sehr viel preiswerter.
HNS: „Wie gehen Sie selbst mit dem Dauerstress Ihres Berufes um?“
Bastian: „Nun ja, was ich erlebe ist ja der ganz spezifische Stress, dem man in der Mode einfach ausgesetzt ist – den kann man kaum verstehen, wenn man ihn nicht selbst erlebt hat. Der Druck ist einfach immer konstant. Kaum, dass man eine Kollektion vollendet hat, muss man sofort mit der nächsten anfangen – gross aufladen, durchatmen, reflektieren ist da kaum drin. Wenn man überleben will, muss man sich einfach dem schnellen Zyklus und Rhythmus anpassen. Gleichzeitig ist was ich mache einer der tollsten und befriedigendsden Jobs, den man sich vorstellen kann – Menschen sich gut fühlen lassen, weil sie einfach besser aussehen und mit sich zufrieden sind und stylish, wenn sie morgens das Haus verlassen.“
HNS: Gibt es irgendjemanden, den Sie gerne einkleiden wollten? Einen Hollywoodstar, eine Person des öffentlichen Lebens, einen Schriftsteller, einen Regisseur, einen Künstler vielleicht?“
Bastian: „Nein, darauf habe ich mich eigentlich nie kapriziert. Die meisten Stars etwa haben ja ihre Stylisten, was man da sieht sind ja kaum die eigenen Outfits, dies sie selbst gewählt haben. Was mir eigentlich ziemlich komisch vorkommt. Viel lieber sind mir die „Normalos“, Menschen, die einfach auf ihr Stilbewusstsein reagieren, sich selbst einkleiden, die Kleidung ist dann teil ihres Lebens. Das ist für mich sehr viel erstrebenswerter.“
HNS: „Gibt es eine Eigenschaft, die sie in anderen bewundern und wie beeinflusst das ihr Oeuvre?“
Bastian: „Was ich am meisten bewundere ist Rücksicht auf andere, persönliche Integrität – und einen guten Humor. Ich hoffe, dass meine Kollektionen das auch zeigen, und auch, wie ich an mein Business herangehe.“
HNS: „Letzte Frage: Was sollte ein Mann NIE anziehen?“
Bastian: „Oh, darauf antworte ich wirklich ungern. Jedesmal, wenn ich denke, das geht gar nicht kommt mir auf der Strasse jemand entegegen, hat genau das an und es funktioniert. Ich glaube inzwischen, dass es keine heiligen Kühe, keine Do´s and Don´ts in der Mode gibt. Alles kann stimmig sein, wenn die richtige Person die richtige Attitude dazu hat.“
Das Interview führte Harald Nicolas Stazol