Iran – by our special correspondent AZA

Das Dilemma mit der Demokratie – Rechtstaatlichkeit in der Islamischen Republik Iran.

Die Islamische Republik Iran befindet sich in einem Dilemma. Nicht erst jetzt. Als demokratischer Gottesstaat proklamiert sie Rechtstatlichkeit und weiss selber, nicht erst seit der blutigen Niederwerfung der „Grünen Bewegung“ im Sommer letzten Jahres, dass sie weit davon entfernt ist.
Einerseits sind die letzten technischen Errungenschaften im Mullahstaat enorm. Das Bildungsniveau ist hoch, der technische Fortschritt unaufhaltsam und nicht zuletzt das im Westen mit äußerstem Argwohn beobachtete Atomprogramm, zeigt die hohe wissenschaftliche Entwicklung des Landes. Doch dabei bleibt es dann auch.
Für unsere westlichen Begriffe ist „Modernität“ genauso mit demokratischen politischen Grundvoraussetzungen, mit moralischen und ethischen Allgemeingültigkeiten, wie Menschenrechten, Meinungsfreiheit und Rechtstaatlichkeit verbunden.
Und die politische Demokratie hat wahrlich noch keinen Einzug im Iran gehalten….

Jahrhundertelang ist das Land von einer absoluten Monarchie regiert worden, die ihre feste Tradition in der iranischen Geschichte und Kultur hat. Als die Safawiden 1501 die Macht ergriffen, sich als „König der Könige“ krönen ließen und den modernen Nationalstaat Iran gründeten, fügten sie ein neues Element ihrer Herrschaft zu: Das Bekenntnis zur Zwölfer-Schia. Diese Konfession glaubt, das Ali, der Vetter und Schwiegersohn des Propheten Mohammad diesem als Kalif hätte folgen sollen. Seinen Nachkommen gebührt die Führung der Muslime. In der islamischen Welt ist es dazu nie gekommen, nur der Iran wurde schiitisch und hofft mit dem letzten und Zwölften Imam auf eine messianische Erlöserfigur, die das Himmelsreich Gottes auf Erden bringen wird.
Mit diesem Glaubensbekenntnis schufen die Safawiden eine einmalige islamisch-iranische Kultur, die sich vom übrigen Teil der Muslims unterschied, aber auch ihren eigenen Untergang. Zunächst als weltliche UND religiöse Anführer anerkannt, als „Schatten Gottes auf Erden“, wurde die Macht der Kaiser immer mehr von der erstarkenden Geistlichkeit beschnitten, und das geschwächte Land ging schließlich in einem fünfzigjährigen Bürgerkrieg zwischen drei Adelshäusern unter.
Als Sieger hieraus trat ein Stammesfürst hervor, Agha Mohammad Khan Kadjar, der sich 1785 zum Herrscher emporschwang und 1796 zum Schah krönen ließ. Mit Blut und Eisen einigte er wieder das Land und seine Nachkommen herrschten bis 1925. Doch die Kadjaren hatten nun nicht mehr die religiöse Legitimität ihrer Vorgänger. Sie waren aufgrund militärischer Stärke an die Macht gekommen, nicht aufgrund ihrer Abkunft von den Imamen dazu auserkoren! 1906 schließlich erhob sich das Volk, unterstützt von Teilen der Geistlichkeit, und forderte nach einer demokratischen Verfassung. Die absolute Macht des Monarchen und seine ausschweifende Hofhaltung wurden durch eine Konstitution beschnitten. Auf dieser Welle schwamm 1924 ein Soldat mit, der selber als Reza Schah Pahlavi die Macht ergriff, erneut die alleinige Macht – an der Verfassung vorbei. Sein Sohn, Mohammad Reza Pahlavi sollte der letzte Schah des Iran werden. 1979 fegte ihn eine erneute Volkserhebung vom Thron, nunmehr aktiv von den Mullahs geplant und unterstützt. Es sollte endlich das erwartete gerechte Zeitalter des Zwölften Imams kommen – mit den Mullahs als seinen Vertretern. Doch die Geistlichen bedienten sich schnell der gleichen Machtapperate wie ihre weltlichen Vogänger: Der absoluten Machtausübung und dem Terror des Geheimdienstes als Mittel hierzu. Noch schlimmer als zuvor. Während sich die Konstitution von 1906 an der belgischen Vefassung orientierte und die Gesetzgebung am Code Civile, führten die Mullahs die islamische Gesetzgebung der Scharia wieder ein. Einem Gesetzestext aus der Zeit des Propheten, mit dem man ein patriachial geprägtes spätantikes Hirtenvolk aber keinen modernen Staat führen kann!

Der jüngste Fall der Sakineh Mohammadi Ashtiani zeigt dies. Unlängst ging ihr Schicksal durch die Medien, als bekannt wurde, dass die junge Frau aus der ost-aserbeidjanischen Provinz wegen Ehebruchs und Beihilfe zum Mord an ihrem Eheman zu Tode gesteinigt werden sollte. Ein qualvoller Tod, ein alttestamentarisch anmutendes Urteil.
Nun sind Todesurteile in der westlichen Welt immer noch nichts ungewöhnliches und werden selbst in den achso vorbildlichen USA noch vollstreckt. Doch die Häufigkeit wie dies im Iran praktiziert wird, ist erschreckend. Zumal die genauen Umstände des Falles Ashtiani nach wie vor unklar sind:
Die örtliche Polizei behauptete, Sakineh Mohammadi Ashtiani habe 2005 ihrem Ehemann ein Beruhigungsmittel verabreicht, bevor ein Cousin ihn im Badezimmer mit einem tödlichen Stromstoß ermorden konnte. Der Cousin hatte den Mord gestanden und alle Schuld auf sich genommen. Ashtiani wurde im Mai 2006 von einem Gericht in Täbris zu 99 Peitschenhieben verurteilt, nachdem sie, der „unerlaubten Beziehung“ zu zwei anderen Männern für schuldig befunden wurde.
Im September 2006 wurde ihr Fall erneut aufgebracht, als vor einem Berufungsgericht gegen einen der beiden Männer wegen Beteiligung am Tode von Ashtianis Ehemann verhandelt wurde. Doch schon während dieses Prozesses zog Ashtiani das Geständnis zum Ehebruch zurück. Sie gab an, duch Folter dazu gezwungen worden zu sein.
Für zwei der fünf urteilenden Richter fehlte es für den Tatbestand des Ehebruchs an den nötigen Beweisen, doch drei Richter urteilten nach einer Klausel der „richterliche Erkenntnis“ und Ashtiani wurde in diesem Prozess wegen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung verurteilt. Das iranische Oberste Gericht bestätigte das Todesurteil gegen sie 2007.
Aufgrund internationaler Presse wurde der Fall wieder und wieder diskutiert, Menschenrechtsorganisationen schalteten sich ein und er geriet zum Politikum.
2010 wurde die Vollstreckung aus „humanitären Gründen“ aufgeschoben aber nicht aufgehoben, dann schließlich von „Tod durch den Strang“, der üblichen Hinrichtungsmethode im Staat der Mullahs gesprochen.
Schließlich wurde nun doch das Gnadengesuch der Kinder Ashtianis erhört, und die Strafe in eine zehnjährige Gefängnisstrafe umgewandelt – nach islamischen Recht hat die Familie des Opfers das Recht, die Strafe abzumildern. Das Dilemma mit Demokratie und Rechtstaatlichkeit im Gottesstaat!

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