Oder als News, ganz nach Wunsch: Luxusliner helfen Haiti

Labadee, 20. Januar 2010 – Im Hafen von Labadee, einem von 8 Metern hohen
Mauern umgebenen Luxusresort, etwa 90 Kilometer vom Katastrophenort
Port-au-Prince entfernt, ist immer noch alles, wie es vor der
Naturkatastrophe war. Ganz nahe dem Epizentrum des schwersten Erdbebens
in der Region legen die grossen Luxusliner verschiedener
Schiffsgesellschaften an, als wäre nichts geschehen – und sorgen für
Kontroversen: Soviel sonnenverwöhnte Passagiere, die sich am
haitianischen Traumstrand Jetski, Cocktails und Sonnenbaden hingeben,
ganz in der Nähe von Trümmern, Toten, Seuchen und Hunger, findet Kritik
und löst in der öffentlichen Meinung sogar Abscheu aus.

Dass die solventen Schiffsgäste mit ihrer Anwesenheit aber auch hunderte
Familien ernähren und in der Region unverzichtbare Geldbringer sind,
wird dabei ausser Acht gelassen – allein die „Independence of the Seas“
ein 340 Meter langes Traumschiff der Royal Caribbean International
Schifffahrtsgesellschaft, hat 3100 Gäste an Bord, die zwar gerne die
fünf Privatstrände von Labadee geniessen – ein reines Gewissen so nahe
dem Ort der Naturkatastrophe zu haben, fällt angesichts der immer wieder
auftretenden Nachbeben, der katastrophalen Versorgungslage und der
Verzweiflung der Bevölkerung immer schwerer. Auf der Internetseite
Cruise Critic, einem Portal für Schiffsreisende, schreibt ein Passagier:
„Ich kann einfach nicht in der Sonne liegen, im Wasser spielen, Barbecue
essen und einen Cocktail nehmen, während in Port-au-Prince zehntausende
Leichen in den Strassen gestapelt sind und die überlebenden nach Essen
und Wasser suchen.“

John Weis, der Vice-President der Schifffahrtslinie Royal Caribbean sagte
dem englischen Guardian: „Alles zusammen betrachtet, ist Labadee
dringend notwendig für Haitis Wiederaufbau.“ Weis koordinierte sich
sogar mit der UN: „In unserem Gespräch mit dem Sonderbeauftragten der
UN für die Haitianische Regierung, Leslie Voltaire, sagte jener, dass
Haiti von den Umsätzen jedes Anlegens unserer Schiffe profitieren wird.“

Die Linie Royal Caribbean gab vor kurzem 55 Millionen Dollar für die
Modernisierung Labadees aus und beschäftigt dort 230 Haitianer, eine
Entwicklung, die als grösstes privates Investment in der Region als
vorbildlich gilt – sogar Bill Clinton besuchte den Ort. John Weis
weiter: „Wir haben fantastische Möglichkeiten, unsere Schiffe als
Transportmittel für Hilfsgüter und Hilfspersonal einzusetzen“. Am
Freitag vergangener Woche wurden etwa vierzig Paletten an Reis, Bohnen,
Milchpulver und Konserven geliefert – sie werden von der Organisation
„Food for the Poor“, einem langjährigen Partner von Royal Caribbean
verteilt – weitere 80 Paletten werden vor Ort noch gelöscht und auf den
zwei nächsten Schiffen stehen zusätzliche 16 bereit. „Das Anlegen
verlief am Freitag sehr gut“, sagt ein Sprecher der Gesellschaft,
„unsere Gäste sind froh darüber, dass 100 Prozent der Umsätze des Stops
gespendet werden.“ Überdies stellte die Gesellschaft überzählige
Deckchairs den Krankenhäusern vor Ort zur Verfügung

John Weis betont: „Wir können Haiti nicht in der Stunde höchster Not
nicht im Stich lassen.“ Ein kleiner Hoffnungsschimmer am Himmel von
Haiti.

HARALD STAZOL

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