… obwohl man in dem zusammenhang wohl lieber auf die grossschreibung verzichten sollte. man kommt an, wird vom freundlichen, riesigen türsteher, der gerade noch einen besoffenen schweden in lederjacke abwimmelt (schwarz ist ja das motto des abends, nicht schweden), man wird also erkannt und die kordel schafft man beiseite, und nachdem man den mantel abgibt im golden cut nicht weit vom atlantic und sich leise wundert, warum man beim betreten schon alle rechte am bild abtritt, tritt man ein und siehe! da sitzen, stehen, liegen sie, jawohl liegen, griechisch-römischen zechern gleich (man hat solche malereien auf trinkbechern und vasen gefunden, früheste beispiele schon aus dem 7. jahrhundert vor christus), liegen also auf fauteuilartigen kissen und lassen sich vom emsigen personal kleine plastik-trays mit spezereien servieren, ganz wie bei einem symposion, wirklich – nur dass das von platon gefordert-beschriebene geistreiche gespräch nicht stattfindet, was man schon von weitem sieht, und das personal nur noch sklavische haltung bei ähnlichen hungerlöhnen hat.
dass sie alle weitestgehend in schwarz gekleidet sind, gibt dem abend nicht den wohl von DUNHILL erhofften, feierlichen snob-effekt, sondern wirkt, vor allem an den damen (sind es damen?) etwas, nun sagen wir, variabel: das frauenbild hier oszilliert zwischen hallo-seht-mich-bitte-an zu ich-will-ein-kind-von-dir-wenn-ich-dann-ne-wohnung-in-eppendorf-kriege, denn nach eppendorf oder dem frankfurter westend oder auch nach notting hill oder die upper west side wollen sie alle, obwohl doch brüssel sehr viel schöner ist im frühling, doch das nur ganz nebenbei, und wer spräche hier denn auch fliessend französisch? nun, hier geht es offenbar wenig ums sprechen, dazu ist die musik denn auch dankenswerterweise zu laut, und meine begleitung des abends strebt zur bar und erfährt zu seinem entsetzen, dass die gerade bestellten drinks, ein gin tonic, zwei sekt auf eis, im ganzen 26 euro kosten, was in diesen zeiten eine hartz iv-empfängerin in marzahn denn doch ganz schön lange im brot hielte, doch egal! wir sind hier auf der DUNHILL-party von british american tobacco, die schachteln überall herum, was ja dann, trotz der tatsache, dass mindestens jeder zehnte hier in schwarz noch nicht weiss, dass seine lunge bald ähnliche farbe haben wird und sich das liegende symposion allzu bald in ein totenbett verlagern könnte, auch ganz nett ist – ach was soll´s, ich greife ja auch zu bei den netten zigarrettenmädchen und rauche, was das zeug hält, wie alle anderen.
nur, dass hier eben die jeunesse dorée hamburgs sich einfindet, das haben die findigen macher der party ja auch eingeplant, hier sind leute, die können den ganzen abend drinks für zehn euro pro glas konsumieren, während sie sich, in der vezweifelten hoffnung, ihrer lächerlichkeit zu entfliehen, letztlich noch lächerlicher machen. es hat etwas ungemein rührendes, wenn man die blicke jener männer sieht, die allein oder mit ihren männlichen „freunden“ gekommen sind, und hier nun in aller scheu und distanz, tatsächlich aber in unverfälscht-zart-unsicherer macho-manier nun die mädels beobachten, die wiederum auf unglaublich hohen stöckeln vor ihnen her paradieren, in dem, was sie nach dem tagelangen gesülze auf RTL und der lektüre der hochglanzmagazine ihrer zielgruppe für stil halten – es ist, als hätte Coco Chanel nie gelebt.
man mag mir mein nicht-vorhandenes gedächtnis für frauen vorwerfen, aber es ist auch wirklich nicht einfach, sie gleichen sich alle zu sehr: die taille geschnürt wie am hofe der medicis, ein make up, dass marie-antoinette vor neid hätte erbleichen lassen, billigen tinnef an hals und armen (der wird, wie ich mich überzeugen konnte, von gelangweilten dämchen am liebsten im kaufrausch am eppendorfer baum erworben wird, zu horrenden preisen, man stelle sich vor, ganze regale füllt der kram…), die haltung, nun sagen wir, brustbetont, und der ausdruck im gesicht einer kate moss nachempfunden, nur, dass sie gar nicht wissen, wie kate guckt und sie sie aller wahrscheinlichkeit niemals, niemals treffen werden und sie nur aus den erwähnten magazinen und von douglas kennen – sie gleichen sich alle.
was hier für ein geld verpulvert wird, das man an den bröckelnden hochschulgebäuden der republik viel besser einsetzen könnte! es steht dahin, dass am in sichtweite gelegenen hauptbahnhof die bettler und penner stehen, sitzen, liegen und ihr eigenes symposion halten, und es gibt momente hier an der bar, das sehnt man sich nach deren gelalle zurück im rausch, denn irgendwie ist es echter, ist alles, der gestank, die zahnlosen münder, die zerfetzten kleider, irgendwie echter, als hier. doch weiter! natürlich nehme ich gerne ein freigetränk, was ich mir im angesicht meines leider (oder zum glück!) abwesenden freundes dann doch vorwerfe, aber seien wir ehrlich, anders ist´s nicht zu ertragen, das gesülze, das nun auf nur brahms und rachmaninoff und den ein oder anderen jungen künstler oder philosphen eingewöhnte ohren trifft. wer beschreibt mein entsetzen? ich, wer sonst.
natürlich ist das hier alles solvent, so scheint es zumindest, und habe ich mir nicht selber heute morgen eine penthouse-wohnung am leinpfad für etwa eine million angesehen, doch hier? man fragt kurz, „nah, geht´s dir gut“, und wartet die antwort nicht einmal ab, denn eigentlich ist´s ja auch egal, und guck mal, da drüben die blonde, in ihrem schwarzen etui-kleidchen (wie bitte? würde sie fragen, und ja, schatz, so heisst das, würde ich antworten), und da steht sie und harrt und hofft und hat sich gerade gepudert und die lippen nachgezogen und nun steht, sitzt oder liegt sie, und wartet auf den traummann, der sich leider nicht einstellen will.
ach die männer! zurückweichende geheimratsecken, wenn überhaupt noch, hüften wie bierkutscher, wenn überhaupt noch, und man sieht sakkos, die keine sind, und anzüge, die nie welche waren, zu krawatten, die nie hätten sein sollen. ob es an den aufgestauten sexuellen energien liegt, die auch zwei meiner bekannten sich zu eher unspektakulären dämchen hinneigen lässt eher als zu mir, den man ja schliesslich ein jahr lang nicht gesehen, um sich die geschürzten lippen und die artig übereinandergeschlagenen beinchen anzusehen, die krummen rücken (haltung, haltung, haltung, meine jungen damen!) und das schon an den lippen ablesbare smalltalk-waterloo anzuhören – es ist schon erstaunlich. es bleibt zu bemerken, dass einer von beiden ein wirklicher beau war, bevor er zu einem zugegebenmassen noch immer blonden, noch immer muskulösem und noch immer grossem vater eines kindes wurde, der irgendetwas von geschäftskontakten faselt, die hier (auf einer DUNHILL-party?) zu treffen sind, und deswegen wühlt er sich bald weiter durch die menge, die inzwischen nun wirklich ellis-island-haft, ganz den frühen siedlern der usa gleich bei ihrer ankunft im schatten der freiheitsstatue (ist man nicht immer nur im schatten der freiheit? unbedingt bei foucault nachschlagen…) – in die zugegebenermassen hübschen räumlichkeiten strömt.
aber ich war ja, wie war das noch, in begleitung, doch die zu finden gestaltet sich denn doch als schwierig, was mich dann doch mit all den männlichen und weiblichen herzen eint, die hier genauso etwas für ihren weiteren lebensweg finden wollen, und sei der nur ein shopping-spaziergang am eppendorfer baum, wo ich heute morgen noch das spanferkelkotelett zu 2,83 per 100g in der vitrine bei lindner etwas übertrieben fand.
jetzt wird es schwierig, denn die handlung bleibt aus. die symposion-liegen sind nun vollends geräumt, die drei bars werden mit barem bestürmt, man sieht sich umgeben von einer in völliger verzweiflung sich wiegenden masse im tanze der sehnsucht (ein glück, dass mein freund sebastien, selbst tänzer der staatsoper, das nicht sehen muss), alle in schwarz, nun fast alle, einige offensichtlich wichtige konsumenten, wahrscheinlich „geschäftlich“ hier, sind im karo kanadischer holzfäller gekommen, aber lebensfroh, amüsant, auch nur elegant (mehr will ich doch gar nicht!) ist hier nichts und niemand, mich (natürlich!) ausgenommen. aber da ist sie schon, die angst, verwechselt zu werden mit ihnen, eins zu werden mit jenen, die einst mir soviel angst machten, denn man wollte ja auch irgendwie dazugehören – und nun, hier, unter den wogenden menschen, die einem das freudsche „ozeanische gefühl“, das untertauchen im kollektiv, ermöglichen sollte, nun, man fühlt sich verloren.
und sieht dann die in trauriger und anrührender isolation aufgerissenen augen, denn hier irgendwo könnte sie, könnte er ja sein, der einen enthebt dieser szene, auch wenn ein leben mit ihr oder ihm wohl dann doch nur aus sylt, shoppen und ebensolchen parties bestehen wird, und man es eben leben nennen wird. und man beginnt sie zu lieben, irgendwie, die verlorenen Seelchen, die kindergleich auf dem spielplatz der eitelkeiten sich zu amüsieren versuchen, und als man hinaustritt ins dunkel der frühlingsnacht, nun, da fehlt nicht viel, um zu weinen, auch wenn die DUNHILLs nun wirklich fantastisch schmecken und das geschenkte feuerzeug nun wirklich stylisch ist. und man geht von dannen. und fragt sich, was denn da eigentlich stattfand. und stellt fest: da hat sich nichts ereignet. nun wirklich gar nichts. nicht wahr?