Finanzkrise und kein Ende?

Doch. Sagte Mittwoch Abend jedenfalls Dr. Ernst Josef Pauw, Banker beim Privat-Bankhaus Lampe und Vorstandsmitglied des Hamburger Kunstvereins ebenda – als Readymate der NoRoomGallery sozusagen: „Jede Krise ist eine Chance.“ In hoher Kompetenz und einigem Optimismus (man glaubt es kaum) referierte er und erklärte die Zusammenhänge, die wiederzugeben ich mich nun bemühen werde: Ursache allen Übels ist natürlich Georgie W. Bush (wer sonst?) und der Irakkrieg, der, wer hätte das gedacht, 500 Milliarden im Jahr kostet. (Kleine Nebenbemerkung: jedes Weltreich geht offenbar an seinem Militärhaushalt zugrunde, die Römer, die Briten, die Russen und jetzt halt die Amis). Und dann? Brauchte man dringend Frischgeld, wobei der amerikanische Konsument, was kaum jemand weiss, für 2/3 des amerikanischen Bruttosozialproduktes verantwortlich zeichnet. Und inzwischen im Durchschnitt 15 Kreditkarten hat, zu ungeheuren 20 Prozent Zinsen, mit denen er seine Schulden jongliert. Und dann kam Alan Greenspan und senkte den Leitzins, womit Kredite so billig waren wie nie, und der Immobilienboom wiegte die Hausbesitzer – in Amerika wird nicht gemietet, sondern gekauft – in der falschen Sicherheit, dass die gekaufte Immobilie sich im Wert ziemlich schnell verdoppeln würde. Man konnte also sein Geld im Schlaf verdienen. Die Banken boten Immobilienfinanzierungskredite mit 5 Prozent Zinsen, ohne dass die Bonität des Kreditnehmers geprüft wurde. Irgendwann konnten sich die Arbeitslosen Häuser kaufen, weil die Banken so gierig wurden und nur noch bei den Bedürftigen und Mittellosen Zuwachsraten zur Geldvermehrung sahen. Irgendwann bündelten die Kreditinstitute die Kredite zu sogenannten Securisations, das heisst sie verkauften Kreditpakete, von denen man nicht mehr wusste, wo die Kreditrisiken letztendlich landen würden – und die Kunden schon gar nicht. Und die Presse, so Dr. Pauw „schrieb und schreibt nur Märchen“.

Auftritt der Landesbanken. Sie sahen eine Chance, in den USA 8 Prozent Gewinn zu machen durch Anleihen, die sie in Deutschland nur zu 3 Prozent verzinsen mussten – eine Lizenz zum Gelddrucken. Und dann war da noch die Gier.

Schliesslich stiegen Greenspans Zinsen wieder und die Häuslebesitzer gerieten in Bedrängnis, weil ihre Hypothekenverträge nicht die in Europa übliche Zinsbindung hatten. Das Geld wurde plötzlich knapp, es kam zu einer Panik. „Es geht“, so der Vortragende fast beschwörend, „in Finanzen um Vertrauen.“ Das war nun weg. Pulverisiert. Und die Regulierungsbehörden reagierten nicht, weil sie mit dem Irakkrieg beschäftigt waren. Das Verhängnis nimmt nun an Fahrt auf.

Die Banken sassen plötzlich auf dem Trockenen, sie liehen sich gegenseitig kein Geld mehr. Eine fatale Situation. Die britische Northern Rock hatte ihr Geschäft mit kurzfristigen Anleihen bestritten und ist nun nach dem Crash die erste vollverstaatlichte Bank überhaupt. Und dass die US-Regierung die Lehmann Brothers pleite gehen liess, „ein unglaubliches Versäumnis des Finanzministers“, war der Anfang vom Ende. „Es geht hier um unglaubliche Summen, ich habe in den Jahrzehnten meiner Tätigkeit schon einige Krisen erlebt, aber das übertrifft alles. Der Kapitalismus frisst seine Mütter.“ das von der Bush-Regierung eiligst durchgepeitschte Rettungspaket von 700 Milliarden Dollar soll vor allem verhindern, dass eine weitere Systembank abschmiert. Tatsächlich würde auch die Bundesregierung dagegen womöglich ein gutes Geschäft mit den Staatsgarantien von 300 Milliarden Euro, und diese Massnahmen hätten bereits einen beruhigenden Effekt: Die overnight credits würden wieder gewährt und der DAX stieg am Tage des Vortrags um 10 Prozent. Dennoch 28 Billionen Dollar sind futsch, die Finanzkrise wird zur rezession und das Schreckgespenst der Deflation steht vor der Tür, ein „Phänomen, das nicht einmal eine eigene Theorie besitzt“. Wie es aber weitergeht? „Das“, so Dr. Pauw, ein wenig messianisch vor gepackten Zuhörern, „kann ich Ihnen auch nicht sagen“. Warten wir´s ab.

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