Traf doch tatsächlich meine alte Flamme aus Berlin wieder, nach acht Jahren, so ein hübscher Junge. War sehr gespannt…
Und ich war es zurecht. Es ist doch wirklich sehr beeindruckend, wenn man einen Menschen nach Jahren wiedersieht, und alle Erinnerungen wie ein Wasserfall hinabströmen, einen mitreissen auf wogenden Wellen, oder ausbrechen wie ein Geysir: Es ist ein heisses, gnadenloses Gefühl, und man wird plötzlich wieder zu dem, der man vor acht Jahren einmal war: Ein junger, feuriger Liebhaber, ein gewissenloser Galan, ein Glückspilz der dritten Art. Nun: Man trifft sich bei einem Glas Wein und denkt unwillkürlich daran die Beziehung zu erneuern, jetzt, da man soviel reifer und weiser geworden, mit dem gesamten Erfahrungsschatz ausgestattet, den man damals schon so gern gehabt hätte. Auch ist es Zeit für eine Entschuldigung, für die Fehler die man einst beging, in aller Unwissenheit und auch einem Quentchen Dummheit, und wie schön ist es dann aus dem so wohlvertrauten Munde in dem so wohlvertrauten Tonfall zu hören: „Du hast Dir nichts vorzuwerfen, Du hast nichts falschgemacht, ich danke Dir, dass Du dich damals auf dieses Experiment mit mir einliessest.“
Und schon ist man bereit, sich erneut darauf einzulassen, und man sagt es, und vielleicht ist das dann schon wieder ein Fehler, und es ist einem in diesem Moment einfach egal – man lässt sich treiben auf der emotionalen Woge und hofft, erneut an die Gestade der Verehrung und Liebe zu gelangen, am liebsten jetzt, am liebsten sofort. Man wird unwillkürlich zum Träumer in diesem Moment, man wandelt auf den Pfaden des Erlebbar-Visionären, man hofft, man harrt. Es ist die Süsse der Möglichkeit, ein liebevoller Irrealis, den man in einen Optativ zu verwandeln sucht. Wer einmal liebt, liebt also doch für immer, eine grosse Gnade – und wie Platon schon schrieb, ist der Liebende dem Geliebten gegenüber auserwählter, da in ihm der göttliche Eros wandelt. Vielleicht ist einem das schon bekannte weniger risikovoll als das ganz Neue, oder das Neue stelltsich schon länger nicht mehr ein, man gleicht den Helden in Garcia Marquez´“Chronik eines angekündigten Todes“: Die beiden treffen sich erst nach Jahrzehnten wieder, und sie wissen, dass sie das falsche Leben geführt haben, weil sie dreissig Jahre davor die falsche Entscheidung getroffen haben. Nun: Wir warten ab. Hingebungsvoll. Geduldig. Auf das, was die Zeit so mitbringen wird…