Valentino

Wenn ein Mann 200000 Dollar für den Tempel der Venus spendet auf dem Forum Romanum, dann wird er wohl die Frauen lieben – und wär täte es mehr als Valentino Garavani, besser bekannt als Valentino, der Mann, der Frauen glücklich macht: „Ich weiss, was sie wollen“, sagt er dann, ob im Sommer, auf seiner Yacht, oder in Rom, wo man ihn gerade erreicht, im Palazzo Mignanelle, nahe an der spanischen Treppe. Für diesen Mann mit dem immerbraunen Teint, ein Mann der seinem halben Dutzend Möpsen die Zähne eigenhändig putzt, für diesen Mann könnte der Superlativ erfunden sein. „Ja, aber warum ausgerechnet Rot“, frage ich ihn. Damit ist er berühmt geworden, nein eigentlich schon vorher, im Jahr von Dolce Vita, jenem 1960, er kommt gerade aus Paris nach Rom und will seinen ersten Salon eröffnen. „Rot?“, sagt er, „rot, nun es ist die perfekte Farbe. Stark, vital mit Persönlichkeit. Seit ich mich zurückgezogen habe, benutzt jeder Designer die Farbe sehr viel mehr.“ Über 45 Jahre beherrschte er den roten Teppich wie kein anderer, Hollywood betet ihn an, was ihm zupass kommt: „Man muss vor mir auf den Knien liegen“ Und ja, er sei Perfektionist: „Einen Blick von 360 Grad auf jedes Detail – das ist manchmal sehr schwierig.“ Man hat ihn gesehen in „Ein Teufel trägt Prada“ – wenn er so spricht, gestikuliert er mit seiner Rechten. „Ich habe nie geglaubt, dass es soetwas wie das schwache Geschlecht gibt.“ Nun für ihn, Valentino, waren Frauen mächtiger, als alle Göttinnen des Olymp zusammen. Wo anfangen? Bei Jackie Kennedy, die für seine erste Schau in New York, im September 1964, im Waldorf-Astoria, nun, sie konnte nicht kommen, sechs Haute-Couture-Kleider kaufte. Valentino hatte ihr eine Auswahl samt Model und Sales Representative nach Hause geschickt. So geschickt war er immer. Er machte in langen Abendroben, als alle nur Mini wollten, und die Frauen liebten ihn dafür. Allein die Kampagnen waren stets atemberaubend. Ich erzähle ihm, dass ich sie ausschnitt und auf meine Schul-Ordner klebte. Ob Eleganz ewig sei. „Nein. Persönlichkeit. Eleganz und Style kann man erlernen und wieder vergessen.“ Die Antwort ist kaum zu glauben. Ach ja, Jackie bestellt die Roben, schwarz und weiss, nach dem Tod ihres Mannes. Aber sie hat sich vorher erkundigt, bei Gloria Schiff, der Zwillingsschwster von Consuelo Crespi, der Vogue-Korrespondentin in Rom. Schiff trägt einen Zweiteiler aus Organza in Schwarz und Weiss. Der fällt Mrs. Kennedy auf. Zu ihrer Hochzeit mit dem griechischen Reeder Aristoteles Onassis, dem Schiffs-Magnaten, kleidet er sie in das teuerste Brautkleid der Welt. Valentino blickt auf seinen Blackberry. Er ging immer mit der Zeit.

Niemand hat den Glamour mehr definiert als er, sage ich. Ob es ihn überhaupt noch gäbe, heute? „Natürlich, aber es ist jetzt ein anderes Spiel. Glamour liegt mehr in der Macht einer Frau als in ihrem Look oder Style. Ich mag Frauen mit Macht. Angelina Jolie war für mich glamorös, machtvoll, über allen Regeln, unabhängig, bis sie auf dieses Kleid verfiel und ihr Bein, um auf eine andere Weise glamorös zu sein.“ Seine Haare sitzen übrigens, wie immer perfekt.

Er hat fast eigenhändig die Standards des Jet Sets neu definiert. Ob auf seiner 46-Meter-Yacht, „T.M. Blue One“, die er und sein Lebensgefährte und Geschäftsführer, Giancarlo Giametti, gerne im Sommer nutzen. Eine Crew von 11 Personen kümmert sich dann um die beiden. Das größte Stadthaus in Holland Park, London, nennt er seine eigen. Ein Apartment in Manhattan, mit Blick auf den Central Park, am Frick Museum. Chateau de Wideville, zu schweigen von ihm, 30 Kilometer vor Paris. Etwa um 1600 erbaut, wohnte vor Valentino dort Claude de Bullion, der Finanzminister Ludwigs XIII., der dort allerhöchstselbst, am 22. Januar 1634 nächtigte. Madame de Valliere, eine Mätresse Ludwigs XIV. lebte dort – ihr Schlafzimmer, ein Spiegelsaal mit einer Deckenhöhe von 9,1 Metern, hat Valention in ein Badezimmer umbauen lassen. Und hätte er die Mätresse gekannt, er hätte sie sicherlich eingekleidet.

Wen eigentlich nicht? Elizabeth Taylor wird bei den Dreharbeiten zu Cleopatra auf ihn aufmerksam.
Lady Diana trug ihn, Julia Roberts ließ die Oscar-Verleihung erstrahlen in Rot, als sein 45jähriges Jubiläum feiert, liest sich die Gästeliste wie Who-is-who und Gotha zusammen. Die Kronprinzessin von Griechenland, Marie-Chantal ist ebenso da wie Prinzessin Rosario von Bulgarien und Prinzessin Caroline von Monaco, ah, und Prinzessin Firyal von Jordanien. Ich bezweifele, dass es auf der Welt irgendjemanden gibt, der an einem Abend vier Prinzessinnen begrüssen kann. Und eine Ex-Kaiserin. Farah Diba, die Frau des letzten Schahs von Persien gibt sich neben Elton John die Ehre – auch Karl Lagerfeld ist da. „Verglichen mit ihm machen wir alle nur Lumpen“ sagt er und flattert mit dem Fächer davon. Uma Thurman entgegen, ach, da sitzt Joan Collins, Sienna Miller ist da und Michael Caine. Und wer singt da? Annie Lennox, ach so, klar. Für Valentino.

Nie hat es eine Nähmaschine gegeben bei ihm. Alles wird von Hand genäht. Und darin ist er eben der Perfektionist. Antoinette de Angelis, die Näherin seines Ateliers, weiss es genau. Es war möglich, dass er einen Traum von weiss entwirft, eine einzige Bewegung, und dann sagt: „Nun, ein paar Pailletten können nicht schaden.“

Damals, 1962, ist er pleite. Nie kümmert er sich um die Materialkosten, nichts ist ihm kostbar genug, bis eben Giancarlo in sein Leben tritt, sie lernen sich in einer Bar in der Via Veneto kennen. Nun liebt er jemanden, der seine Geschäfte führt. „Lieben? Ich liebte meine Arbeit bevor ich anfing zu arbeiten“. Na, und die sechs Möpse, Mutter Molly, die Söhne Milton und Monty, die Töchter Margot, Maude und Maggie. Sie zählen nun wirklich.

Die Picassos, die Cy Twombly, Balthus´ und natürlich Damien Hirst. Valentino besitzt eine beachtenswerte Sammlung. Da kommt ein Junge aus Voghera, in der Lombardei, näht eine wenig bei seiner Tante Rosa und beherrscht schliesslich eine Generation lang ein ganzes Geschlecht. Im Jahr 1998 verkauft er an ein Konglomerat für 300 Millionen Dollar, die Zahl differiert, am 4. September 2007, kündigt er an sich zurückzuziehen. Für seine letzte Haute Couture Show laufen Eva Herzigova, Naomis Campbell, Claudia Schiffer, Nadja Auermann, Karolina Kurkova und Karen Mulder.

„Würden Sie zurückkehren, und sei es nur, um die Mode zu retten?“, frage ich. „Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen sollte“.

Erst geht die Marke Valentino in die Hände von Alessandra Facchinetti, über, die einen schweren Stand haben hat, auch wenn sie ein Profi ist: „Sie hat die Archive kaum beachtet“ schimpft Valentino, bald muss sie gehen. Die beiden Neuen Maria Grazia Chiuri and Pier Paolo Piccioli, „habe ich jahrelang um mich gehabt, sie haben Respekt und Ehrerbietung für mein Werk. Sie können auf tausende Kleider zurückgreifen, um einen echten Valentino zu kreieren.“

Wie, vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Valentino, aber wie sieht denn nun die Zukunft der Mode aus? „Weniger exclusiv, schlechtere Qualität, niedrigere Preise“. Wer wollte da widersprechen. Sein letztes Wort. Vielleicht das letzte in der Mode. Valentino.

Harald Nicolas Stazol

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