fassungslosigkeit…

… ist ja vielleicht nicht der schlechteste beweggrund, um in den tiefen der nacht die eindrücke des tages zu verarbeiten, aber was sich da heute abend im grossen saal des hamburger rathauses abspielte, am abend der schwusos anlässlich der 30 jahre csd, die nun zu begehen sind, nun denn – man ringt stunden später noch nach fassung. der erste eindruck, nachdem man die weitläufige treppe hinaufschreitet, ist eine arme blonde lesbe, die verzweifelt aus dem hals schreit zu ihrer verstimmten gitarre und von der ich in kürzester zeit und gepeinigsten ohrs vom veranstaltungsorganisator erfahre, dass sie ihm „aufgedrückt“ wurde, weil man ja auch mal ne frau auf der bühne brauchte. aha. fairerweise muss gesagt sein, dass der nachfolgende acapellachor mit seiner intonation des „könig von thule“ (!!!) mit der zeile „gar treu bis an da grab“ auch nicht gerade eine punktlandung dem anlass gemäss ist. als ich dies anmerke, ziehe ich mir das gehässige zischen eines grauen goatees mit kassengestell zu, des inhalts: da vorne singen leute. ach. ich versichere, nicht blind zu sein, was ich mir angesichts dieses traurigen haufens unattraktiver mittvierziger im saal, durchsetzt von drei, vier perücketragenden jungs im mädchenkostüm und den chormitgliedern vorne eigentlich sehnlichst wünsche – auch taub sein wäre jetzt klar von vorteil. zu spät erfahre ich, dass der landesvorsitzende der schwusos, mein anwalt, in der einladungsmail schon vermerkte, der saal solle voll aussehen und man möge doch soviele freunde mitbringen wie möglich – meine beiden begleiter schwärmen da schon aus, der eine um wowereit zu fotografieren, der andere, um drinks zu holen, ohne die, so ein anderer gast im vertrauen, „man es hier ja nicht aushielte“. ich probier´s trotzdem, aber es wird nicht besser. wowereit wiederholt die forderungen der schwulenbewegung, die es seit den siebzigern gibt und gibt sich schwulennah, „es gibt ja auch wirklich gutaussehende fussballer“ – ja, die gibt es. danke wowi. da wird der stammtisch einfach mal von der gegenseite bedient, aber das bemerke ich kaum, weil ich mittlerweile von einem graumelierten etwas angestarrt werde wie ein frisches steak im hundezwinger und ich dringend eine rauchen muss. als ich zurückkomme, redet wowi immernoch, ja, der csd sei eine politische veranstaltung, „aber die leute wollen ja auch spass haben“. ja, wowi, spass, aber warum denn nicht schon heute abend? inzwischen sagt der begleiter meines begleiters dass er ja durchaus politisch interessiert sei, dies doch aber nicht deren ernst oder ein trauerspiel oder ähnliches, was ich schon nicht mehr mitbekomme, weil da die liberale neocon ausbeutungsmaschine steht, die so gerne reicher, schöner und mächtiger wäre, leider reichts dann aber doch nur für den mittelmässigen mittelstand, was man aber natürlich nicht sagen darf, und deswegen wird dann mein ohr doch links urplötzlich taub. leider zu spät, denn die reden sind vorbei, doch nun erlaubt man der bühne den auftritt eines noch undefinierbareren wesens im plastikbrustpanzer, das sich für unterhaltsam hält und mich zu den umstehenden sagen lässt, der abend sei bitte, bitte nicht repräsentativ. bitte, bitte nicht.