Von der Schönheit des Temporären – Parmigiani

Von der Schönheit des Temporären – Parmigiani
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Wer hätte nicht gerne einen Mäzen mit unbegrenzten Mitteln? Der, fast aus dem Nichts, plötzlich auf einen zugeht und ganz höflich, und in unserem Falle auf Schweizer Zurückhaltung bedacht, nachfragt, was man denn mit einer Finanzspritze in beträchtlicher, beträchtlicher Höhe, so Schönes anfangen würde? Natürlich im beiderseitigen Interesse? Ein longterm Loan also? Man würde wohl in ein Penthouse an der Upper Eastside investieren, die sollen zur Zeit ja ziemlich günstig zu haben sein. An der Wallstreet ein wenig in Futures handeln – momentan auch nicht gerade vernünftig. Oder, und so hat es Michel Parmigiani, 58, gemacht, eine eigene Uhrenmanufaktur gründen. Eine neue, noble, kurz: fantastische Manufaktur, die zur Zeit, um im Bilde zu bleiben, wohl die schönsten Chronometer entwickelt, zusammenbaut und zur Freude der Kenner, Sammler und Uhrenliebhaber anbietet, die für schnödes Geld zu haben sind. Haute Horlogerie Authentique heisst das dann, und es wird stolz vermerkt, wie sich Jean-Marc Jacot, C.E.O. der Marke dezent vernehmen lässt, hier in München, wo in den Ausstellungsräumen gerade eine ungewisse Anzahl seiner Preziosen in glänzenden Vitrinen gleich einem rückhaltlos staunenden Fachpublikum präsentiert wird: “Wir sind in der Lage, jedes Teil, jedes Rädchen, jedes Werk völlig unabhängig und intrinsisch genuin herzustellen, vom Entwurf bis zur Entwicklung, in eigener Herstellung”. Das kann sich in der ganzen Schweiz nur noch ein anderes Unternehmen erlauben, von dem wir hier schweigen wollen, aber dessen Endprodukt in zunehmenden Masse ein wenig inflationär in gewissen Kreisen, die zu virilem Geltungsbedürfnis neigen, gern am Handgelenk getragen wird – “das sind nun”, so der C.E.O mit verschmitztem Lächeln, “so gar nicht unsere Kunden. Wir fanden neue.” Neue Kunden? Im Turbokapitalismus? Dieses rare Gut, die Goldmine, hinter der so ziemliche jede Marketingabteilung des Planeten her ist, gierig und mit Schaum vor dem Mund? “Genau. Unsere Käufer wollen nicht das, was alle haben. Sie wollen die Uhr für sich, ganz diskret, nicht, um anzugeben.” Sagt´s und nimmt einen Schluck aus der Champagnerflöte, natürlich rosé, als wäre es das Natürlichste von der Welt, mal so eben einen neuen Konsumententyp gefunden zu haben. Ja bitte, Monsieur Jacot, wie genau sieht der denn aus? Mal ganz im Vertrauen? “Er ist jung, erfolgreich, ungebunden, und legt Wert auf Understatement. Lebensqualität ist im wichtiger als Karriere, er hat einen eigenen Geschmack, der immer individueller wird, so wie in der modernen Welt immer mehr Möglichkeiten sich eröffnen, seine Persönlichkeit zu entwickeln.” Noch ein Lächeln. Na klar, wenn die Sandoz Family Foundation hinter einem steht und einem freie Hand lässt, so ganz ohne den Druck irgendwelcher Aktionäre und Quartalsergebnisse in einem zunehmend von Luxuskonglomeraten beherrschten Umfeld, wenn man nach 12 Jahren inzwischen 600 vollbeschäftigte Mitarbeiter hat, die im Jahr 5000 Exemplare, nein: Kunstwerke schaffen, wenn man weltweit 200 exclusive Juweliere zu Abnehmern hat und die gewünschten Chronometer in erstaunlich kurzer Zeit liefern kann, dann ist wohl gut Lachen: “Bei Patek Phillipe warten sie auf eine Komplikation drei Jahre. Bei uns ist sie nach drei Monaten in Ihren Händen.”

Und es passt ja auch irgendwie alles zusammen: Von frühester Kindheit an war Michel Parmigiani von der Uhrmacherkunst fasziniert: geboren 1950 im Val-de-Travers des Kantons Neuchatel entschied er sich früh für sein Handwerk und konzentrierte sich zunächst auf die Restaurierung alte Zeitmesser. Er gründete seine eigene Firma, erfolgreich (natürlich) und trug sich bald mit dem Gedanken an eine eigene Manufaktur. Und 1996 war es dann soweit. Sein Traum ging in Erfüllung.

Und nun ist es Zeit zu schwärmen. Von der Kalpagraph etwa, gänzlich aus Palladium gefertigt, dezent schimmernd, leicht gewölbt und mit drei Zifferblättern, der Gipfel des guten Geschmacks. Die Toric Retrograde Perpetual Calender, ein Meisterstück mit, wie der Name schon andeutet, ewigem Kalender und der nur im Hause erhältlichen Präzisions- Mondphasenanzeige. Oder der Bugatti Type 370, einer Kreation, in der das vollständig neu entwickelte Werk horizontal auf fünf Platten gelagert ist, einem Automotor gleich, natürlich unter Saphirglas und so rar, dass man im Happy Valley beim Pferderennen in Hong Kong auch unter Milliardären Aufsehen erregen wird. Fünf Jahre dauerte der Schaffensprozess, 30 Serien, auf 15 Stück limitiert, gerade erst ausgeliefert mit Komplikation, Preis etwa 190000 Euro.
Überhaupt die neuen Märkte! Wer käme schon auf die Idee ein Golfturnier im wildesten Osten zu organisieren wie kürzlich, als Parmigiani sich in Kasachstan vorstellte? “Eine unglaubliche Erfahrung, man macht sich keine Vorstellung von dem Wohlstand dort in gewissen Kreisen, da waltet die rasante wirtschaftliche Entwicklung, die wahre Moderne, quasi aus dem Boden gestampft.” Oder Indien, dort liege der Wandel “gleichsam in der Luft” – und natürlich ist man auch dorthin bereits expandiert.

In Dubai hat man vergangenes Jahr den eigens kreirten Woman of Exception Award an die Professorin Maryam Mohamed Matar verliehen, anlässlich der neuen Damenkollektion, in Anwesenheit seiner königlichen Hoheit Scheich Jumaa bin Maktoum Al Maktoums.

Und beim 42. Montreux Jazz Festival lässt Michel Parmigiani es sich nicht nehmen als Hauptsponsor aufzutreten, dort erhielt Altjazzer Quincy Jones einen Chronometer in Roségold, zum 75. Geburtstag.

Das Husarenstück des Hauses aber dürfte die neugeschaffene und mitbegründete Fondation Qualité Fleurier sein, eine Gesellschaft, die sich über die gängigen und etwas verwässerten Schweizer Qualitätsstandarts etabliert hat, ein unabhängiges Gremium, das die überragenden Standarts der Produkte aus dem Val-de-Travers garantiert.

Da liegt sie nahe, die letzte Bemerkung des Vorstandes, und natürlich trägt sie Jean-Marc Jacot mit einem leisen Lächeln vor: “Wir wollen Geschichte machen!” Und irgendwie hat man dann, nach dem Gespräch, daran auch wirklich nicht den geringsten Zweifel.

HARALD STAZOL

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